Brötchen in der Klimakrise

Das Projekt MAGIC-KlimaBack erforscht klimafreundliche Backweizen-Sorten

Foto: ©Pexels

Bernt Farcke, Leiter der Abteilung „Wald, Nachhaltigkeit, Fischerei, Nachwachsende Rohstoffe“ im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Berlin. Seit 2001 im BMEL tätig, zuletzt im Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt Leiter der Abteilung „Ländlicher Raum, Agrarpolitik“.

Brot und Brötchen, Kuchen und Gebäck – nicht umsonst wurde die Deutsche Brotkultur mit ihren mehr als 3.000 Spezialitäten von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe ausgezeichnet. Kein Wunder, dass Weizen die wichtigste Ackerkultur in Deutschland ist – er verbindet seit jeher Landwirtschaft und Brotkultur. Weniger bekannt: Backweizen kann ein Baustein im Kampf gegen die Klimakrise sein. Eine Initiative des Landwirtschaftsministeriums und der Wertschöpfungskette Backweizen arbeitet gemeinsam für mehr Klimaschutz und Resilienz.

Dürre und Trockenheit, Hitzerekorde, Überschwemmungen und Hagel – kaum ein Sektor ist so unmittelbar von der Klimakrise betroffen wie die Landwirtschaft. Extremwetterereignisse bedrohen zunehmend landwirtschaftliche Erträge, regional können sogar ganze Ernten gefährdet sein. So gab es bei der Getreideernte 2024 ein durchschnittliches Minus von rund 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, mit regional starken Schwankungen. Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft auch zur Verschärfung der Klimakrise bei: durch Treibhausgase, die in der Tierhaltung und im Ackerbau entstehen. Die gute Nachricht: Die Landwirtschaft ist nicht nur Mitverursacherin, sondern auch Teil der Lösung in der Klimakrise. Beim Backweizen beispielsweise ziehen viele Akteure an einem Strang, um zu einer Lösung beizutragen.

Zielkonflikt: Backweizen und Klimaschutz

Deutschland hat sich im Klimaschutzgesetz verpflichtet, die jährlichen Emissionen in der Landwirtschaft bis 2030 auf 58,4 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente zu reduzieren. Mit anderen Worten: Der Ausstoß von Treibhausgasen in der Landwirtschaft muss reduziert werden. Das betrifft neben Methan vor allem Lachgas. Lachgas ist ein rund 300-mal stärker wirkendes Treibhausgas (THG) als Kohlendioxid und kann beispielsweise beim Einsatz stickstoffhaltiger Düngemittel entstehen. Zu hohe Stickstoffvorräte im Boden gehören zu den Hauptrisiken für Lachgas-Emissionen aus der Landwirtschaft. Darüber hinaus verursacht auch die Herstellung der synthetischen Stickstoffdünger nicht unerhebliche THG-Emissionen. Für Klima- sowie auch für Boden- und Gewässerschutz ist es daher wichtig, den Einsatz von Stickstoffdüngern zu reduzieren bzw. Stickstoffüberschüsse abzubauen und zu vermeiden.

Und hier kommt Backweizen ins Spiel: Für die Qualität von Backweizen gibt es vermarktungsrelevante Kriterien. Aktuell orientiert sich die Einstufung und somit die Bezahlung von Backweizen vor allem am Rohproteingehalt des Weizenkorns. Dieser wird unter anderem von der Weizensorte, der Höhe der Stickstoffdüngung, den konkreten Standortbedingungen und dem Witterungsverlauf beeinflusst. Genau da setzt die ambitionierte Backweizen-Initiative an: Sie soll prüfen, ob und wie der Rohproteingehalt im Weizenkorn durch alternative Qualitätskriterien ergänzt bzw. ersetzt werden kann, bei gleichzeitiger Sicherung hoher Backqualitäten. Denn wenn der Rohproteingehalt nicht mehr als alleiniges Bewertungskriterium für die Qualität von Backweizen notwendig wäre, ließe sich langfristig bei der Erzeugung von Backweizen Stickstoffdünger einsparen. Es geht also um mehr Klimaschutz und gleichzeitig um die Erhaltung der guten Qualitäten des Backweizens.

Backweizen-Initiative: Gemeinsam fürs Klima

Um diese Aufgabe zu lösen, hat die Bundesregierung Backweizen in das Klimaschutzprogramm 2023 aufgenommen. Bereits seit 2022 finden deshalb unter der Koordinierung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie verschiedener Forschungseinrichtungen Gespräche mit der Wertschöpfungskette Backweizen statt. Hierzu gehören Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Forschung, Handel, Mühlen und Bäckereien und Einzelhandel – ein wichtiges Zeichen, dass die gesamte Branche im Kampf für das Klima zusammensteht! Im Januar 2024 startete die Umsetzung der Backweizen-Initiative.

Mit der gemeinsamen Initiative wollen die Akteurinnen und Akteure dazu beitragen, den Stickstoffbedarf der Pflanzen zur Erzeugung von Backweizen und damit den notwendigen Düngungsaufwand zu senken, um klimaschädliche Emissionen bei der Düngerproduktion und beim Anbau von Backweizen weiter verringern zu können. Neben den Kernelementen der Initiative, nämlich die Prüfung alternativer Qualitätskriterien für Backweizen sowie die Entwicklung von Messmethoden und Schnelltests, wurden weitere Maßnahmen beschlossen, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehören die Züchtung neuer Backweizensorten, die Information der Öffentlichkeit über klimafreundliche Brot- und Backwaren und nachhaltigen Konsum sowie weitere Forschungen zu Backweizen.

Forschung für klimafreundlichen Backweizen

Doch was genau soll erforscht werden? Untersuchungen haben gezeigt, dass einzelne Weizensorten trotz geringerem Rohproteingehalt eine hohe Backqualität aufweisen. Diese Sorten und ihre besonderen Eigenschaften sollen nun genauer untersucht werden, damit zukünftig mit weniger Stickstoff genauso viel Brot gleichbleibender Qualität erzeugt werden kann. Klimaschonende Backweizensorten von morgen sollen somit eine hohe Stickstoff- und Proteineffizienz aufweisen, bei einem möglichst hohen Ertrag.

Was das bedeutet? Die Sorten, die trotz geringerem Proteingehalt eine gute Backqualität aufweisen, zeigen, dass die Backqualität nicht ausschließlich an den Rohproteingehalt im Weizenkorn gekoppelt ist. Beide Merkmale hängen also nicht so sehr zusammen, wie bisher angenommen. Die Erforschung dieser sogenannten „Korrelationsbrecher“ soll künftig dazu beitragen, sie für die Züchtung stärker nutzbar zu machen.

Das Forschungsprojekt MAGIC-KlimaBack widmet sich genau diesen Weizensorten. Das Projekt wird vom BMEL im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms „Klimaschutz in der Landwirtschaft“ mit rund 1,1 Millionen Euro gefördert. Es ist am 1. September 2024 gestartet und hat eine Laufzeit bis Ende 2027. Das Max-Rubner-Institut koordiniert das Projekt mit den Verbundpartnern Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Universität Bielefeld, Julius Kühn-Institut und KWS Saat SE & Co. KGaA.

Genetische Vielfalt als Chance

Aber wieso gibt es überhaupt so viele Weizensorten mit ganz unterschiedlichen Eigenschaften? Die Antwort: Das Genom des Weizens ist sehr komplex und enthält ausgesprochen viele Gene. Dies macht das Forschen mit der wichtigsten Getreideart in Deutschland einerseits besonders anspruchsvoll, bietet aber zugleich große Möglichkeiten. Denn: Genetische Vielfalt bedeutet auch Anpassungsfähigkeit an neue Herausforderungen. Diese Chance wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Verbundprojekts in den kommenden drei Jahren nutzen. Ziel ist, durch innovative Methoden der Pflanzenzüchtung die Entwicklung von Weizen mit einer verbesserten Proteineffizienz voranzutreiben. Auch dies ist eine Gemeinschaftsaufgabe, denn gute Lösungen finden sich nur gemeinsam!

Bescheidübergabe MAGIC-KlimaBack am 19.09.2024. V. li. n. re: Dr. Til Feike (Julius Kühn-Institut), Jenny Matthiesen (KWS SAAT SE & Co. KGaA), Dr. Georg Langenkämper (Max Rubner-Institut), Cem Özdemir (Bundeslandwirtschaftsminister), Prof. Dr. Klaus Pillen (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), M.Sc. Ben Kohnert (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Junior-Prof. Dr. Romy Schmidt-Schippers (Universität Bielefeld), Prof. Dr. Karsten Niehaus (Universität Bielefeld); Foto: ©BMEL

Zusammenfassung

Für den Klimaschutz in der Landwirtschaft ist es wichtig, auch den Einsatz von Stickstoffdüngern zu reduzieren. Die marktrelevante Qualitätsanforderung für Backweizen bezieht sich insbesondere auf den Rohproteingehalt im Korn. Bisher wird dieser durch einen entsprechenden Einsatz von Stickstoffdünger erreicht.
Die Backweizeninitiative des BMEL prüft unter anderem, wie die Qualitätsanforderungen an Backweizen ergänzt werden können, um zusätzliche Einsparungen von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu ermöglichen. Es stehen vor allem Backweizensorten im Fokus, die trotz geringerem Rohproteingehalt eine hohe Backfähigkeit zeigen.
Die Initiative ist Teil des Klimaschutzprogramms 2023 der Bundesregierung. Neben dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gehören ihr Vertreterinnen und Vertreter der gesamten Wertschöpfungskette aus Landwirtschaft, Forschung, Handel, Mühlen und Bäckereien sowie dem Einzelhandel an.
Das BMEL trägt unter anderem durch Forschungsförderung zur Initiative bei. Die Erforschung der sogenannten Korrelationsbrecher – Sorten, die trotz geringerem Rohproteingehalt im Korn gute Backeigenschaften zeigen – soll es zukünftig ermöglichen, Weizen mit guter Backqualität bei verringertem Einsatz von Stickstoffdüngern klimaschonender zu produzieren. Dies ist auch Schwerpunkt im Forschungsprojekt MAGIC-KlimaBack, das vom BMEL gefördert wird.

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