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Hanna Neumann, Trade Marketing Managerin bei Zeelandia GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main, verantwortlich für digitale Marketingthemen; M.Sc. Ernährungsökonomie und Marketing und langjährige Erfahrung im Presse- und Kommunikationsbereich
In der Corona-Krise hat sich das Kaufverhalten der Verbraucher sowohl zeitweise als auch nachhaltig geändert. Im Gedächtnis geblieben sind dabei vor allem die Hamsterkäufe von Toilettenpapier sowie eine erhöhte Nachfrage an Produkten zur Vorratshaltung wie Konserven und Mehl. Auch Bäckereien mussten sich diesen neuen Herausforderungen stellen und Strategien entwickeln, um profitabel zu bleiben oder sogar zu profitieren.
Unter dem Begriff des Kaufverhaltens werden verschiedene Aspekte, die beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen durch den Konsumenten eine Rolle spielen, verstanden. Dazu zählen beispielsweise die Wahl der Einkaufstätte, die Menge und Qualität der gekauften Güter sowie die Auswahl einer Marke beziehungsweise die Markentreue. Das Kaufverhalten wird von den individuellen Eigenschaften des Konsumenten wie Einstellungen und Wissen, aber auch demografischen Merkmalen bestimmt. Zudem gibt es Unterschiede, je nachdem wie wichtig das Produkt für den Konsumenten ist. So gestaltet sich das Kaufverhalten beim Kauf eines Brots anders als beim Kauf eines Notebooks. Neben diesen persönlichen Aspekten sind auch äußere Einflussfaktoren von Bedeutung. Diese Faktoren können sozial, wirtschaftlich oder situativ bedingt sein. Die Corona-Pandemie ist ein solcher äußerer Einflussfaktor, der Auswirkungen auf die Konsumenten und das Kaufverhalten hat.
Selbst backen und Vorratshaltung
Bereits im ersten Lockdown im März und April 2020 wurden Änderungen im Kaufverhalten der Verbraucher besonders in Form der sogenannten Hamsterkäufe deutlich sichtbar. Neben Toilettenpapier, was in dieser Zeit ständig vergriffen war, ist laut einer Nielsen-Untersuchung hervorzuheben, dass in Kalenderwoche 9/2020 der Absatz von Brotbackmischungen im Vergleich zum Vorjahr um 392% gestiegen ist. Konsumenten hatten durch den Lockdown und der damit für viele einhergehenden Kurzarbeit oder das Arbeiten im Home-Office mehr Zeit zur Verfügung und konnten sich vermehrt der Essenszubereitung widmen. An dieser Stelle besteht aus der Sicht der Bundesakademie Weinheim für Bäckereien die Möglichkeit, ihre Kompetenz zu zeigen, indem sie Backtipps an ihre Kunden weitergeben oder online kleine Backkurse halten.
Unter dem Pandemie-Einfluss hat sich auch die Nachfrage an Produkten zur Vorratshaltung erhöht. Die Verbraucherpräferenzen haben sich hierbei hin zu verpackten Artikeln mit längerer Haltbarkeit verschoben. Von diesem Trend konnten Bäckereien profitieren, indem sie beispielsweise pasteurisiertes Schnittbrot in handwerklicher Bäcker-Qualität in ihr Sortiment aufgenommen haben. Das verpackte, geschnittene Brot ist lange haltbar und eignet sich somit hervorragend für die hauseigene Vorratshaltung. Für Bäckereien hat dies den Vorteil, dass sich das Brot auf Vorrat produzieren lässt und weniger Retouren garantiert. Eine weitere mögliche strategische Anpassung des Bäcker-Sortiments besteht in der Aufnahme von Toastbrot/Sandwich. Verbraucher suchten vermehrt nach diesen Artikeln vom Bäcker für ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück mit der Familie, das in dieser Zeit besonders zelebriert wurde. Pasteurisiert und verpackt im Polybeutel garantiert das Toastbrot/Sandwich eine längere Haltbarkeit und eignet sich auch hervorragend zum Toasten.
Frequentierung der Standorte
Bäckereien mit Standorten in Innenstadtlage, im unmittelbaren Büroumfeld oder an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen mussten mit veränderten Öffnungszeiten reagieren, da die Laufkundschaft eingebrochen ist. Im Kontrast dazu, konnten Bäckereien mit Lage in Wohngebieten oder mit Anschluss an einen Supermarkt einen deutlichen Kundenzuwachs verzeichnen. Dies liegt daran, dass Verbraucher vermehrt von zu Hause arbeiten und somit ihre Einkäufe von frischen Backwaren beim Bäcker um die Ecke erledigen. Zusätzlich erlebten die drei Hauptmahlzeiten, so auch das gemeinsame Abendbrot, im Zuge des Home-Office-Alltags eine Art Renaissance, da ihnen eine strukturgebende Bedeutung zugeschrieben wurde.
Auch sortimentsseitig konnten Bäckereien feststellen, dass Brot stärker als vor der Corona-Krise nachgefragt wurde. Hier empfiehlt es sich für Bäckereien, ihr Brot-Sortiment zu prüfen und margenschwache oder arbeitsintensive Produkte aus dem Angebot zu nehmen. Durch diese Sortimentsstraffung kann der Produktionsprozess effizienter gestaltet werden und der Bäcker kann sich auf das Kerngeschäft fokussieren. Ein Brot-Kalender beispielsweise kann diesen Weg unterstützen, indem er Verbraucher informiert, welches Brot an welchen Tagen verfügbar ist.
Zusätzlich zu den Änderungen in der Frequentierung der Standorte leiden oder litten Bäckereien zeitweise unter den starken Beschränkungen für die Gastronomie, da sie ihre betriebseigenen Cafés schließen mussten. Dieser Bereich ist bei den meisten Bäckereien eine wichtige Umsatzquelle. Noch deutlicher waren die Einbußen im Konditorhandwerk spürbar, wo der Umsatz im Cafébereich circa die Hälfte des Gesamtumsatzes beträgt. Für diesen Bereich wird prognostiziert, dass eine Erholung erst erfolgen kann, sobald die Beschränkungen aufgehoben werden.
Trends: lokal und Gesund
Bäckereien profitieren von dem Trend, dass Verbraucher ein größeres Bewusstsein dafür entwickeln, wieder mehr lokal einzukaufen und somit Geschäfte in ihrer Nähe zu unterstützen. Es wird dabei beobachtet, dass Verbraucher verstärkt „vergessene“ Geschäfte wie den Bäcker oder Metzger wiederentdecken und dort ihre Einkäufe erledigen. Dabei erfährt das Ernährungshandwerk eine gestiegene Wertschätzung von Verbrauchern, da es einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit regionalen, wertigen Produkten leistet. 83 % der Verbraucher geben laut dem aktuellen Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft an, dass es ihnen „(sehr) wichtig ist, dass ein Lebensmittel aus der Region kommt“. Bäckereien können hierbei durch ihren lokalen Direktverkauf der Artikel punkten.
Zudem rückt der Gesundheitswert von Produkten in den Vordergrund: 90 % finden eine gesunde Ernährung wichtig. Dabei steigt auch das Interesse an Lebensmitteln mit einem sogenannten „Health Benefit“. Eine Antwort darauf können Bäckereien geben, indem sie innovative Produkte mit Zusatznutzen in ihr Sortiment aufnehmen. Gefragt sind hierbei beispielsweise Produkte, die eine wichtige, pflanzliche Proteinquelle darstellen und/oder hohe Gehalte an Ballaststoffen aufweisen.
Online gewinnt
Bei einer Studie des Marktforschungsinstituts appinio gaben 60 % der Befragten im Dezember an, durch die Corona-Pandemie mehr online zu kaufen als vorher. Diese Erkenntnis eröffnet auch Chancen für Bäckereien im Bereich der Digitalisierung. Potenzial bieten hier die Einführung von digitalen oder kontaktlosen Zahlungssystemen oder auch Konzepte für Onlineshops, bei denen Bäckereien ihre Backwaren zusätzlich online zur Abholung oder zur Lieferung anbieten können. In diesem Bereich haben sich einige Tools etabliert, die diese Dienstleistung möglich machen: entweder als separater Onlineshop über die eigene Webseite oder über Plattformen, die wie Online-Marktplätze funktionieren wie „Bapacho – Dein lokaler Bäcker online“. Hier haben Bäckereien die Möglichkeit, ihre Produkte in ihrem eigenen Shop online zur Abholung (Click und Collect) oder Lieferung anzubieten und können von Verbrauchern, die sich gerade in der Nähe befinden, über die Standortfunktion der gleichnamigen App gefunden werden. Dies hat für Bäckereien den Vorteil, dass sie aufgrund der höheren Reichweite und Sichtbarkeit neben ihren Stammkunden auch Neukunden erreichen können. Online-Lösungen bieten Bäckereien die Möglichkeit, sich digitaler aufzustellen, Umsatzeinbußen abzufedern und auch die Wartezeit für Kunden zu verringern.
Zusammenfassung
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Kaufverhalten der Verbraucher im Hinblick auf Brot und Backwaren sind vielfältig. Während viele Betriebe unter dem Wegfall der Laufkundschaft in Innenstädten und an Bahnhöfen und der Schließung der Café-Bereiche leiden, können Bäckereien in Wohngebieten vom Home-Office-Alltag profitieren und neue Kunden hinzugewinnen. Im Zuge der Pandemie ist die Wertschätzung für lokale, handwerklich hergestellte Produkte gestiegen und die Verbraucher entdecken „den Bäcker um die Ecke“ wieder für sich. Auch das Thema Vorratshaltung hat an Bedeutung gewonnen – ein wichtiges Stichwort für Bäcker: pasteurisieren.
Eine zentrale Entwicklung, die durch die Pandemie massiv beschleunigt wurde, ist die zunehmende Digitalisierung und der Anstieg des Online-Handels – auch im Lebensmittelbereich. Hier sind die Themen kontaktlose Bezahlsysteme und Online-Shop als Herausforderungen, aber eben auch Chance, zu nennen. Insgesamt ist festzuhalten: Trotz all der Beschränkungen und Entbehrungen bietet sich für Bäckereien in dieser Zeit an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit, ihr Geschäft weiterzuentwickeln, neue Kunden zu gewinnen und aktuelle Trends zu besetzen.
Literaturangaben
https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/kaufverhalten-38063/version-261489 (abgerufen am 26.01.2021)
Alfred Kuß, Michael Kleinaltenkamp: Marketing-Einführung, Springer Gabler, Wiesbaden, 8. Aufl., 2020
https://www.baeko-magazin.de/aktuell/marktforschung/12-03-2020-brotmischungen-stark-gefragt/ (abgerufen am 26.01.2021)
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/11/PD20_438_61.html (abgerufen am 26.01.2021)
Appinio: Corona Report, Welle 40 18.12.2020
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krankheiten-berlin-brot-in-corona-krise-gefragt-zeit-der-hamsterkaeufe-vorbei-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200504-99-925022 (abgerufen am 26.01.2021)
Andrea Wessel: Brotbranche passt strategische Ausrichtung an, in Lebensmittel Zeitung 01/2021, S. 16
https://www.ifo.de/branchenatlas/ernaehrungshandwerk (abgerufen am 26.01.2021)
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: Deutschland, wie es isst – Der BMEL-Ernährungsreport 2020
Paola Rentsch: Chancen für Bäcker während & nach Corona, in Check up Back.Business, 05/2020, S. 8-11
Euromonitor International: Food and Nutrition in Light of COVID-19, (https://go.euromonitor.com/webinar-packaged-food-2020-food-and-nutrition-in-light-of-covid-19.html)