Vegan beim Bäcker? Was sind die Herausforderungen, was sind die Chancen?

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Annemarie Renner, Digital Marketing Managerin, verantwortlich für digitale Marketingkommunikation und Pressearbeit bei Zeelandia GmbH & Co. KG, Frankfurt a. M.

Vom Fleischesser bis zum strengen Frutarier: Weltweit gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Ernährungsformen. Durch das wachsende Interesse der Menschen an einer vegetarischen oder veganen Ernährung steigt auch die Nachfrage nach Produkten, die einer pflanzenbasierten Ernährungsform entsprechen – auch beim Bäcker?

Vegan und vegetarisch – Was ist erlaubt?

Vegan sind Lebensmittel, die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs enthalten und bei denen auf allen Produktions- und Verarbeitungsstufen keine Zutaten, Verarbeitungshilfsstoffe oder sogenannte Nicht-Lebensmittelzusatzstoffe in verarbeiteter oder unverarbeiteter Form tierischen Ursprungs zugesetzt oder verwendet werden. Der Bäcker muss den Produktionsablauf so gestalten, dass möglichst keine unbeabsichtigten Einträge von tierischen Stoffen erfolgen. Im Detail sollte auch beim Einkauf der Rohstoffe darauf geachtet werden, dass sich in diesen keine tierischen Bestandteile verstecken, zum Beispiel als Milch- oder Sahnepulver. Bei einer vegetarischen Ernährung oder Lebensweise sind Erzeugnisse oder verarbeitete Produkte von lebendigen Tieren erlaubt. Dazu zählen Milch, Kolostrum, Eier, Bienenhonig oder -wachs, Propolis und Wollfett/Lanolin oder Wolle.

Gründe für eine vegane Ernährung

Vegane Produkte sind inzwischen keine Nische mehr und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Vor dem Hintergrund der weltweit kritischen Klimasituation überdenken viele Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten. Dies ist jedoch nicht der einzige Kaufgrund für vegane Alternativprodukte. Laut einer Studie des BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) sind die Kaufgründe sehr vielfältig. Sie reichen vom gesundheitlichen Aspekt mit ca. 47 % bis hin zur Neugier mit 71 %. Gerade pflanzliche Alternativen für tierische Produkte wie Pflanzendrinks und Fleischersatzprodukte werden gerne gekauft, um sie auszuprobieren. Was geschmacklich überzeugt, wird wieder und regelmäßig vom Endverbraucher gekauft. Die beiden Hauptgründe Umweltschutz und Tierwohl sind in jeder Studie vertreten, im Vergleich zum BMEL sind bei Statista das Tierwohl mit 81 % und Umweltschutz mit bis zu 65 % als Grund genannt worden.
Positive Auswirkungen auf die Umwelt
Der zuvor genannte Aspekt des Umweltschutzes durch vegane Ernährung ist nicht von der Hand zu weisen. Denn nachweislich verursacht eine vegane Ernährung:

  • 50 % weniger CO2-Ausstoß
  • 60 % weniger Wasserverbrauch
  • 100-fach weniger Ackerflächenverbrauch (für die Produktion von einer Proteineinheit bei Hülsenfrüchten im Vergleich zu Rindfleisch)

Am Beispiel von Pflanzendrinks bzw. den beliebten Milchalternativen kann sehr anschaulich verdeutlicht werden, wie stark die Umweltauswirkungen bei der Herstellung im globalen Vergleich zur Kuhmilch auseinander gehen. Die Flächennutzung für die Pflanzendrinks auf Basis von Soja, Mandel oder Hafer liegen bei ca. einem Drittel und auch die Treibhausgas-Emissionen bei pflanzlichen Drinks sind je nach Sorte nur bei 5 – 10 % der Menge, die die Produktion der identischen Einheit an Kuhmilch verursachen würde.

Marktdaten

Zwischen Oktober 2019 und September 2020 setzten Supermärkte mit Veggie-Fleischersatz 357 Millionen Euro um, etwas mehr als die Hälfte davon mit veganen Produkten. 2021 war in Deutschland jedes fünfte neu eingeführte Lebensmittel vegan. Das und die gestiegene Aufmerksamkeit der Medien für dieses Thema lassen vermuten, dass die Anzahl der Menschen, die sich vegan ernähren, exponentiell gestiegen sein muss. Dies ist jedoch ein Trugschluss – zwar ist die Zahl der Veganer in den letzten Jahren angestiegen, jedoch nicht so stark. Einer BMEL Umfrage 2021 nach, bezeichnen sich etwa 2 % der deutschen Bevölkerung als Veganer, etwa 20 % sind Vegetarier. Warum nimmt dann das Angebot so enorm zu? Der Hauptgrund sind die etwa 55 % Flexitarier, die ihren Konsum tierischer Produkte bewusst einschränken und stattdessen auf pflanzliche Alternativen zurückgreifen möchten. Ihnen ist es vorrangig wichtig, dass das Produkt schmeckt und möglichst ohne tierische Inhaltsstoffe auskommt. Bei dieser großen Käufergruppe ist meist der Umweltaspekt der entscheidende Faktor für die Wahl der Produkte.
Etwa zwei Drittel der Deutschen, die 18 bis 44 Jahre alt sind, erwarten heutzutage eine pflanzliche Alternative zu den herkömmlichen Produkten einer Marke. Hier kommt es oft für den Endverbraucher stärker auf den Genusswert an als auf den Preis.

Was bedeutet das konkret für den Bäcker?

Die Nachfrage nach veganen Snacks, ob süß oder herzhaft, wächst. Nur unterwegs gestaltet es sich oftmals etwas schwierig, einen veganen Snack auf die Hand zu bekommen. Bei vielen Bäckereien beschränkt sich das vegane Angebot auf unbelegte Brote, Brezeln und Softdrinks. Veganes süßes Gebäck ist eine Rarität. Hier schlummert ungenutztes Potenzial für den Bäcker, neue Kunden zu gewinnen und Kunden, die ihre Ernährungsgewohnheiten anpassen, zu halten.
Wer jetzt direkt mit veganen Backwaren loslegen möchte, muss einige Dinge beachten, um die Backwaren auch als vegan ausloben zu dürfen. Es benötigt etwas Zeit ,das Sortiment umzustellen oder ggf. zu erweitern, da dies sorgfältig durchdacht und geplant werden sollte. Für eine vegane Auslobung dürfen in den Betriebsabläufen von den Rohstoffen bis zum fertigen Gebäck keine Stoffe tierischen Ursprungs eingetragen werden (s. Definition oben). Optimalerweise gibt es einen separaten Bereich, da sonst vor dem Herstellprozess der veganen Backwaren Reinigungsarbeiten notwendig wären. Zudem ist es ratsam, die verwendeten Zutaten im Detail auf Bestandteile tierischen Ursprungs zu überprüfen. Sind solche enthalten wie z. B. Milchpulver, dann kann diese Zutat nicht verwendet werden. Oft lassen sich Produkte bereits durch minimale Änderungen anpassen. Ein Beispiel dafür ist der Ersatz von Butter durch Pflanzenmargarine oder -öle. Auch Sahne und Milch können durch entsprechende Pflanzendrinks oder Sahnealternativen ersetzt werden.
Hat der Bäcker diese ersten Schritte gemeistert, möchte er das Gebäck erfolgreich an die Kundschaft verkaufen. Oft ist nicht ersichtlich, welche Backwaren vegan oder vegetarisch sind, da sie dem Original stark ähneln. Wichtig ist daher eine übersichtliche und klare Kommunikation für den Endkunden beispielsweise mit Pickern oder der Nutzung eines einheitlichen Symbols auf den Gebäckschildern. Gelernt ist hier ein grünes Blatt, das für eine rein pflanzliche Alternative steht. Eine Verbraucherstudie zeigt, dass weltweit „pflanzlich/ pflanzenbasiert“ die wirksamste Angabe auf Lebensmitteln ist im Vergleich zu „vegan“ oder „vegetarisch“. Besonders der Begriff „vegan“ wird bei Käufergruppen, die nicht vegan oder vegetarisch leben, eher negativ bewertet. Sie verbinden damit keinen Genuss, sondern eher Verzicht und schlechten Geschmack.
Für den Beginn ist es daher ratsam, erst einmal nur wenige Gebäcke in das Programm zu nehmen und diese fest im Sortiment zu eta­blieren. Mit einer entsprechenden kommunikativen Unterstützung sollte man dem ganzen mehrere Wochen Zeit geben, um die Akzeptanz des Endverbrauchers zu erreichen und den Erfolg des Produktes bewerten zu können. Auch das Verkaufspersonal sollte dahingehend geschult werden, welche Produkte vegan sind – sei es von Natur aus oder eine pflanzliche Alternative zu einem herkömmlichen Produkt. Aber der Aufwand lohnt sich: Wer das verborgene Potenzial nutzt, kann neue Kunden an sich binden, indem die veränderten Konsumwünsche berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Der Trend zur veganen Ernährung nimmt weiterhin zu, die Gründe dafür sind vielfältig. Besonders der positive Einfluss auf die Umwelt ist ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Dementsprechend wächst die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten stark und es werden immer mehr Produkte mit pflanzlichen Proteinen wie z.B. Pflanzendrinks oder Fleischersatzprodukte gelauncht. Grund genug, sich als Bäcker Gedanken darüber zu machen, wie man diesen Trend in der eigenen Backstube umsetzen kann. Wer den Schritt wagen möchte, sollte dies gründlich durchdenken, da Prozesse, Rohstoffe und Rezepturen anzupassen sind. Ein pflanzliches Sortiment sollte mit passender Kommunikation im Abverkauf unterstützt werden, um es langfristig in der Ladentheke zu etablieren.

 

Quellen:

[1] Albert Schweitzer Stiftung (2021): Vegan-Leitfaden für Bäckereien. Hintergrundinformationen, Rezepte, Tipps und mehr; Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, URL: https://files.albert-schweitzer-stiftung.de/1/ASS_Baecker-Broschuere_210409.pdf, Download am 16.03.2021
[2] BMEL (2021): Deutschland, wie es isst. Der BMEL-Ernährungsreport 2021, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Mai 2021, Berlin, Abruf PDF am 01.08.2022: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6
[3] Mintel Group Ltd (2022): Studie: Deutschland weltweit viertinnovativstes Land für vegane Lebensmitteleinführungen, news aktuell GmbH, Hamburg URL: https://www.presseportal.de/pm/154346/5129899, Abruf am 26.01.2022
[4] ProVeg (2020): Der Pflanzenmilch-Report: auf dem Weg zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung, ProVeg e.V., Berlin, veröffentlicht am 20.08.2022, URL: https://proveg.com/de/ernaehrung/pflanzliche-alternativen/pflanzenmilch-report/, Abruf am 08.08.2022
[5] ProVeg (2022): Vegan-Trend: Zahlen und Fakten zum Veggie-Markt, ProVeg e.V., Berlin, veröffentlicht am 22.03.2022, URL: https://proveg.com/de/pflanzlicher-lebensstil/vegan-trend-zahlen-und-fakten-zum-veggie-markt/, Abruf am 08.08.2022
[6] Statista.de (2022): Aus welchen Gründen ernähren Sie sich vegan?, veröffentlicht am 07.01.2022; URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1192354/umfrage/befragung-gruende-vegane-ernaehrung/
[7] Verbraucherschutzministerkonferenz, VSMK (2022): Definitionen vegan-vegetarisch; Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Erfurt, URL: https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/documents/top20_definition_vegan_und_vegetarisch_1510317864.pdf, Abruf am 05.05.2022
[8] Snackconnection (2022): Studie: Verbraucher erwarten pflanzliche Alternative, snackconnection GmbH, Hamburg, veröffentlicht 21.02.2022, URL: https://snackconnection-marktplatz.de/gastro-trends/studie-pflanzliche-alternative-barry-callebaut/
[9] vegconomist.de (2022): Neue Studie zeigt: Pflanzliche Lebensmittel sind bis zu zehnmal besser für die Umwelt, vegconomist – Das vegane Wirtschaftsmagazin -, vegconom GmbH, Dinklage, veröffentlicht am 10.08.2022, URL: https://vegconomist.de/studien-und-zahlen/studie-lebensmittel-umwelt/?utm_medium=email&utm_source=rasa_io&utm_campaign=newsletter, Abruf am 12.08.2022

 

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