Weniger Zucker, voller Geschmack!

Foto: © Martin Braun KG

Petra Blümel, Studium der Lebensmitteltechnologie mit Schwerpunkt Getreidetechnologie an der HS OWL in Lemgo, Praxissemester und Diplomarbeit in der Produktentwicklung bei Dr. Oetker, Leitung Produktentwicklung Konditorei und stellvertretende Leiterin der F&E bei der Martin Braun KG, Hannover

Konsumenten ernähren sich zunehmend bewusster, die Nachfrage nach zuckerreduzierten Gebäcken steigt. Aber ist es überhaupt möglich, zuckerreduzierte Gebäcke herzustellen und dabei den vollen Geschmack zu erhalten? Diese Frage lässt sich eindeutig mit „Ja“ beantworten.

Bäcker können zur Herstellung zuckerreduzierter Backwaren entweder durch Backversuche mit anschließender sensorischer Beurteilung eigene Rezepturen entwickeln oder inzwischen auch auf das Angebot der Zulieferindustrie zurückgreifen. Grundsätzlich gibt es bei der Herstellung von zuckerreduzierten Gebäckrezepten aber einige Punkte, die unbedingt beachtet werden müssen. Es reicht nicht aus, den Zuckeranteil einzelner Komponenten im fertigen Gebäck zu reduzieren. Denn für die Herstellung beispielsweise eines zuckerreduzierten Obstkuchens, muss nicht nur die Rührmasse an sich weniger Zucker enthalten – der Obstkuchen insgesamt muss weniger Zucker enthalten; also auch der gegebenenfalls verwendete Mürbteig, die Kaltcreme und die Streusel.

Wenn eine Zuckerreduzierung ausgelobt werden soll, muss das ganze Gebäck weniger Zucker enthalten – und zwar mindestens 30 Prozent weniger als ein marktübliches Vergleichsgebäck (siehe Infokasten rechts oben). Vor jeder Entwicklung steht eine umfangreiche Markt­recherche an, um festzustellen, wie hoch der Zuckeranteil von Vergleichsgebäcken ist. Neben dem um 30 Prozent reduzierten Zuckeranteil darf insgesamt auch der Brennwert des Gebäckes im Vergleich zu marktüblichen Gebäcken nicht höher sein. Es muss also genau darauf geachtet werden, welche Rohstoffe in welcher Menge eingesetzt werden, damit der Brennwert nicht erhöht wird. Zucker einfach zu reduzieren kann im ungünstigsten Fall in der Brennwertbilanz bezogen auf das ganze Gebäck auch zu einer Erhöhung des Brennwertes führen.

Rezepturen mit weniger Zucker entwickeln

Zucker hat in Gebäcken nicht nur eine süßende Eigenschaft, sondern beeinflusst zusätzlich vielfältige technologische Aspekte wie Viskosität der Massen und Teige, Gebäckvolumen und Bräunungsverhalten. Dies muss man berücksichtigen, wenn man Teile der Zuckermenge reduziert. Als Ersatz für Zucker gibt es zwar viele unterschiedliche Süßungsmöglichkeiten, aber Zucker muss nicht 1:1 durch süßende Rohstoffe ausgetauscht werden. Die sensorisch und technologisch erforderliche Menge an Zucker kann auch durch andere Zutaten ersetzt werden. Im Idealfall werden bereits in der Rezeptur enthaltene Rohstoffe wie Mehl, Milchpulver, Fruchtpulver und Ähnliches verwendet.
Das Nährwertprofil der zuckerreduzierten Gebäcke sollte im besten Fall optimiert werden, das heißt insgesamt darf der Brennwert nicht höher als bei dem Vergleichsgebäck sein und kein schlechteres Profil im Hinblick auf Fett aufweisen. Optimal ist auch ein höherer Ballaststoffgehalt im Vergleich zu nicht zuckerreduzierten Gebäcken. Um dies zu erreichen, kann man in einigen Rezepturen beispielsweise Inulin einsetzen. Inulin ist ein prebiotischer Ballaststoff und wird aus der Zichorienwurzel gewonnen.

Lebensmittelrechtliche Aspekte
Bei der Angabe „zuckerreduziert“ handelt es sich um eine „nährwertbezogene Angabe“ laut EU-Verordnung 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (sogenannte Health Claims-Verordnung). Die Angabe ist nur zulässig, wenn die Reduzierung des Zuckers mindestens 30 Prozent gegenüber einem vergleichbaren Produkt ausmacht und wenn der Brennwert des Produkts mit dieser Angabe gleich oder geringer ist als der Brennwert bezüglich des Vergleichs.


Zu beachten bei einer solchen Auslobung sind zudem die Kennzeichnungsverpflichtungen nach Art. 9 (vergleichende Angaben) der VO (EG) 1924/2006.

Es muss immer noch schmecken

Empfehlenswert ist während des Entwicklungsprozesses der zuckerreduzierten Gebäckrezepte die Durchführung von Sensoriktests, um herauszufinden, welchen Süßungsgrad der Endverbraucher bevorzugt.
Zur Beurteilung und Bewertung von Gebäcken während der Rezepturentwicklung bedient sich die Zuliefererindustrie beispielsweise eines internen Panels: Der Süßeeindruck wird dabei mithilfe einer „Just about right“-Skala („Just about right“ bedeutet „genau richtig“) beschrieben. Interessant ist, dass die Süße oft als ausreichend bzw. „genau richtig“ bewertet wird, das Gebäck an sich aber nicht „harmonisch“ ist und somit überarbeitet werden muss.

Ganz besonders wichtig ist bei der Entwicklung der Backzutaten für zuckerreduzierte Gebäcke die Verbraucherakzeptanz; deshalb gehören umfangreiche Akzeptanztests mit einem externen Verbraucherpanel ebenfalls zu den Tools in der Produktentwicklung. Diese können beispielsweise so aussehen: Eine bestimmte Anzahl an Prüfern wird in Bezug auf ihr Einkaufs- und Verzehrverhalten von Bäckereiartikeln für die einzelnen Verkostungen ausgewählt. So wird sichergestellt, dass Konsumenten das Gebäck bewerten, das sie auch im Alltag in der Bäckerei kaufen bzw. verzehren. Die Tester bewerten jeweils Gebäcke mit unterschiedlichen Zuckergehalten (Standard, -20  % und -30 %) und beantworten Fragen zum Süßeeindruck, aber auch zu speziellen Gebäckeigenschaften wie Cremigkeit und Frischeeindruck eines Käsekuchens oder Saftigkeit eines Apfelkuchens. Mithilfe einer „Just about right“-Skala wird die Verbrauchermeinung hinsichtlich des Süßeeindrucks erfasst.

Die Auswertungen geben sehr hilfreiche Hinweise für die Optimierung der Rezepturen: Der Zuckeranteil kann so angepasst werden, dass die Süße von einer großen Mehrheit der Tester als „gerade richtig“ bewertet wird. Zusätzlich können die Rezepturen optimiert werden, um eine möglichst hohe Akzeptanz zu erreichen: So lässt sich der Säureeindruck eines Käsekuchens anpassen, um einen weniger trockenen, dafür aber cremigeren Geschmackseindruck zu hinterlassen. Der Fruchtanteil eines Blechkuchens lässt sich erhöhen, die Aromatisierung einer Sahnetorte durch Verwendung von Fruchtpürees verbessern.

Einbindung besonderer Kunden

Für die Zulieferindustrie spielt neben der Verbrauchermeinung die Bewertung durch ihre Kunden ebenfalls eine große Rolle. Um potenzielle Kundenbedürfnisse zu berücksichtigen, ist es generell sinnvoll, spezielle Kunden in ein Entwicklungsprojekt einzubinden. So kann man ausgewählte Kunden, die sich bereits mit dem Thema Zuckerreduzierung beschäftigten, an der Produktentwicklung beteiligen. In einem Workshop lässt sich gemeinsam mit ihnen sowie der Marketing- und F&E-Abteilung über Zuckerreduzierung diskutieren und die Gebäcke, die bereits von einem Verbraucherpanel getestet wurden, in diesem Rahmen vorstellen, verkosten und bewerten.

Nährwertberechnungen

Um die Gebäcke erfolgreich verkaufen zu können, ist eine Kennzeichnung als „zuckerreduziert“ nötig. Die dafür erforderliche Reduzierung von 30 Prozent muss zwingend durch umfangreiche Nährwertberechnungen oder auch Nährwertanalysen der hergestellten Gebäcke sichergestellt sein.

Zusammenfassung

Die Nachfrage nach Lebensmitteln mit weniger Zucker steigt. Bei der Herstellung von Gebäcken mit weniger Zucker müssen jedoch verschiedene Aspekte beachtet werden, denn neben seinem süßen Geschmack übernimmt Zucker beim Backen verschiedene technologische Funktionen. Ein verringerter Zuckeranteil sollte daher durch andere Zutaten ausgeglichen werden. Zudem muss das Nährwertprofil der Produkte im Auge behalten werden, da sich dies durch eine Reduzierung des Zuckeranteils auch verschlechtern kann. Zu guter Letzt gilt es, durch verschiedene Panels und Akzeptanztests die sensorische Qualität zuckerreduzierter Produkte sicherzustellen und Rezepturen ggf. zu optimieren. Neben internen Panels sollten unbedingt auch Verbraucher und im Fall der Zulieferindustrie auch Kunden miteinbezogen werden.
Um die Auslobung „zuckerreduziert“ vornehmen zu dürfen, müssen entsprechende Produkte laut Health Claims-Verordnung mindestens 30 % weniger Zucker als vergleichbare Produkte enthalten und dürfen keinen höheren Brennwert als der Vergleich aufweisen.

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