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Franca Werhahn, Anwältin für Lebensmittelrecht bei „LEKKER Partners“, Schwerpunkt Krisenmanagement, Produktkennzeichnung und Werbung
Dubai-Schokolade – einst TikTok-Hit mit Engelshaar und Pistazien – ist längst mehr als ein viraler Süßigkeitentrend. Vor Gericht wird darüber gestritten, ob der Name Herkunft oder Gattung bezeichnet, Verbraucherschützer warnen vor Täuschung und Untersuchungen der Lebensmittelüberwachung zeigen deutliche (Sicherheits-)Mängel auf. Hinzu kommen die saftigen Preise für Dubai-Schokolade, während die generell steigenden Kakaopreise in der Branche für Herausforderungen sorgen, die einmal mehr mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verschärft werden dürften.
Bleiben wir zunächst beim Dubai-Schokoladen-Trend. Über Social Media verbreitete der sich wie ein Lauffeuer und führte dazu, dass VerbraucherInnen teilweise stundenlang anstanden – für gerade einmal 150 g Schokolade. Die Zutatenliste an sich ist überschaubar: Man nehme Schokolade, Kadayif-Teigfäden – oder besser bekannt als „Engelshaar“ – und Pistazien. Doch wie bei allen Trends scheint auch dieser aktuell abzuflachen, wenn nicht bereits der nächste Hype in den Startlöchern wartet: die Angel Hair Chocolate, ganz in rosa und gefüllt mit einer türkischen Zuckerwatte namens Pişmaniye. Wenngleich der Trend nachlässt, lohnt sich ein Blick auf die dazu ergangene Rechtsprechung und mögliche Fallstricke in diesem Zusammenhang.
Herkunfts- oder Gattungsbezeichnung?
Maßgeblich für die rechtliche Bewertung ist § 127 Abs. 1 Markengesetz (kurz: MarkenG), der den Schutz geografischer Herkunftsangaben regelt: Eine Bezeichnung wie „Dubai“ darf nur dann für Lebensmittel verwendet werden, wenn die Ware tatsächlich von dort stammt oder eindeutig relativiert wird. Ergänzend regelt Art. 26 der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) 1169/2011 (kurz: LMIV) die Herkunftskennzeichnung und verlangt, dass Herkunftsangaben zutreffen oder sonst auf dem Etikett klargestellt werden. Eine Ausnahme gilt für Begriffe, die sich im allgemeinen Sprachgebrauch als Gattungsbezeichnung etabliert haben, wie etwa „Hamburger“ oder „Wiener Schnitzel“.
Im Kern geht es um die Frage: Erwartet der Durchschnittsverbraucher bei einer „Dubai-Schokolade“ eine Herkunft aus Dubai oder wird die Bezeichnung inzwischen als Hinweis auf eine Rezeptur mit Pistazien und Engelshaarteig verstanden? Hierzu haben unterschiedliche Gerichte teils widersprüchlich geurteilt.
Irreführung durch Herkunftsangabe
Die 33. Kammer am LG Köln sah in der Bezeichnung „Dubai-Schokolade“ eine irreführende Herkunftsangabe, wenn das Produkt tatsächlich aus der Türkei stammte. In zwei weiteren Beschlüssen gingen die Richter im Fall von Schokolade mit Slogans wie „Miskets Dubai Schokolade – mit einem Hauch Dubai“ oder „Alyan Dubai Handmade Chocolate“ von einer Irreführung aus. Die Slogans, fremdsprachige Hinweise und Symbole wie Sterne oder Lieferhinweise verstärkten den Eindruck einer Herstellung in Dubai – so die Gerichte. Auch das LG Frankfurt befasste sich mehrfach mit der Thematik und bejahte eine Irreführung, da die entsprechende Schokolade zusätzlich mit orientalischen Toren und der Skyline Dubais gestaltet war und so gezielt eine Herkunft aus Dubai suggerierte. Das LG Bochum stellte bei einer als „Dubai Handmade Chocolate“ beworbenen Schokolade eine Irreführung fest, da die Angabe „ein Geschmackserlebnis aus der Metropole Dubai“ klar auf Herkunft schließen lasse.
„Dubai-Schokolade“ als Gattungsbegriff
Auch die Gegenansicht wurde bei den Gerichten vertreten. So entschied die 4. Handelskammer des LG Köln, dass ein als „Dubai-Schokolade“ beworbenes Produkt nicht irreführend sei, da dieser Begriff von VerbraucherInnen als bloße Zubereitungsart und damit als Gattungsbegriff zu verstehen sei, ähnlich wie bei „Wiener Würstchen“. Und auch das LG Frankfurt wertete „Dubai“ vor allem als Rezept mit Pistazien und Engelshaar und nicht als geografische Herkunft. Zum einen habe der Hype und die weit verbreitete Nutzung des Begriffs ihn allgemein etabliert. Zum anderen wurde im konkreten Fall die Herkunft der Zutaten aus EU-/Nicht-EU klar auf der Verpackung angegeben.
Klare Linie durch das OLG Köln
Am 27.06.2025 entschied das OLG Köln in vier Verfahren erstmals auf Obergerichtsebene: „Dubai-Schokolade“ darf nur dann so bezeichnet werden, wenn sie tatsächlich aus Dubai stammt. Eine Umwandlung in einen bloßen Gattungsbegriff sei über die Zeit zwar möglich, dies sei hier jedoch nicht gegeben. Nach Ansicht des Gerichts genügt es bereits, wenn rund 15–20 % der Verbraucher die Bezeichnung weiterhin als Herkunftshinweis verstünden. Zudem bejahte das Gericht die Gefahr einer Irreführung, da die angegriffenen Produkte mit weiteren Dubai-Bezügen wie Skyline-Abbildungen oder Slogans warben. Damit setzt die Entscheidung einen klaren Orientierungsmaßstab: Hersteller müssen durch klare Herkunftsangaben und den Verzicht auf irreführende Symbolik sicherstellen, dass „Dubai“ nicht fälschlich als geografische Herkunft verstanden wird.
Übersicht & Ausblick
Der Hype um Dubai-Schokolade zeigt, wie schnell Food-Trends KonsumentInnen begeistern und Gerichte beschäftigen können. Soweit über Herkunfts- oder Gattungsbezeichnung gestritten wurde, hat das OLG Köln klargestellt: Ohne tatsächliche Herkunft aus Dubai droht Irreführung.
Der Trend von „Angle Hair Chocolate“ birgt gegenüber „Dubai-Schokolade“ aufgrund fehlender Herkunftsangabe kein dahingehendes Irreführungsrisiko. Storytelling und Social Media treiben den Trend. Hier können sich aber anderer Stolpersteine ergeben, die beispielsweise im Influencer-Marketing lauern können. Mit einem günstigeren Preis als Dubai-Schokolade hat so mancher Discounter das Produkt bereits massentauglich gemacht.
Auch Lebensmittelsicherheitsaspekte dürfen bei solchen Trends nicht unterschätzt werden, wie die Untersuchungen des landesweiten Sonderprüfprogramms der Lebensmittelüberwachung zeigten. Ende 2024 wurden 30 „Dubai-Schokolade“-Proben getestet. Die Beanstandungsquote lag bei 100 %: Kennzeichnungsmängel, Fremdfette, Aflatoxin B1, künstliche Farbstoffe, nicht deklarierter Sesam oder weitere Kontaminanten, wie 3-MCPD- und Glycidyl-Fettsäureester – teilweise über den EU-Grenzwerten.
Zukünftig dürfte bei solchen Trends zudem stärker auf die Herkunft der Zutat Schokolade und auf entwaldungsfreie Lieferketten nach der EUDR (EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte) geachtet werden. Mit Anwendungsbeginn ab 30. Dezember 2025 drohen damit neue Fallstricke.
Mit Blick auf die Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeitsregulatorik wie die EUDR wird deutlich: Auch jenseits von Trendfragen sind Transparenz, sichere und nachhaltige Lieferketten künftig entscheidend.
Zusammenfassung
Ende 2024 sorgte die „Dubai-Schokolade“ für Furore: Ein Mix aus Schokolade, Pistazien und Kadayif-Fäden, der über Social Media zum Hype wurde und VerbraucherInnen stundenlang anstehen ließ. Mit dem Trend kam auch die juristische Debatte: Darf ein Produkt „Dubai-Schokolade“ heißen, wenn es nicht aus Dubai stammt? Unterschiedliche Gerichte urteilten teils gegensätzlich, bis das OLG Köln im Juni 2025 klarstellte: Schon wenn 15–20 % der Verbraucher die Bezeichnung als Herkunft verstehen, liegt Irreführung vor. „Dubai-Schokolade“ darf nur echte Dubai-Ware bezeichnen; sonst müssen Herkunftshinweise klar sein und irreführende Symbole entfallen. Trends wie „Angle Hair Chocolate“ punkten über Optik und Social Media ohne Herkunftsrisiko, bergen aber andere Stolpersteine wie im Influencer-Marketing. Auch die Lebensmittelsicherheit darf nicht vernachlässigt werden: Kontrollen zeigten Kennzeichnungsmängel oder gesundheitlich bedenkliche Stoffe. Ab Dezember 2025 verlangt die EUDR entwaldungsfreie Kakao-Lieferketten.
Take-Home-Message: Food-Trends, Markenrecht und Nachhaltigkeit hängen eng zusammen – langfristiger Erfolg erfordert ehrliche Verbraucherinformation und strikte Einhaltung der EU-Lieferkettenvorgaben.
Quellen
[1] Bericht zdfheute vom 13.11.2024, Teurer Trend: Hype um Dubai-Schokolade, abrufbar unter https://www.zdfheute.de/panorama/dubai-schokolade-trend-pistazien-kadayif-100.html – zuletzt aufgerufen am 29.08.2025.
[2] Pressemitteilung aus der Lebensmittelzeitung direkt vom 27.02.2025, “Angel Hair“-Schokolade: Der neue Supermarkt-Hype nach der Dubai-Schokolade? – abrufbar unter https://www.lzdirekt.de/markt/news/angel-hai-schokolade-supermarkt-2164 – zuletzt aufgerufen am 29.08.2025.
[3] LG Köln, Beschluss vom 20.12.2024, Az. 33 O 513/24 ; LG Köln, Urteil vom 25.02.2025, Az. 33 O 513/24.
[4] LG Köln, Beschluss vom 06.01.2025, Az. 33 O 525/24; LG Köln, Beschluss vom 06.01.2025, Az. 33 O 544/24.
[5] LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.02.2025, Az. 2-06 O 19/25.
[6] LG Bochum, Beschluss vom 20.01.2025, Az. I-17 O 5/25.
[7] LG Köln, Urteil vom 26.02.2025, Az. 84 O 8/25.
[8] LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.01.2025, Az. 2-06 O 18/25.
[9] OLG Köln, Urteile vom 27.06.2025, Az. 6 U 52/25, Az. 6 U 53/25, Az. 6 U 58/25 und Az. 6 U 60/25.
[10] Pressemitteilung CVUA Baden-Württemberg vom 19.03.2025, abrufbar unter: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/dubai-schokolade-und-pistaziencremes-untersucht – zuletzt aufgerufen am 29.08.2025.