Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Bärbel Ines Hintermeier, LL.M., Rechtsanwältin im Lebensmittelrecht mit dem Schwerpunkt Werbung & Kennzeichnung, Verkehrsfähigkeit und Produktentwicklung sowie Risk Assessment & Krisenmanagement
Low Carb Müsli, Brot & Co.
Bewerbung mit „low carb“ erlaubt oder unzulässig – was denn nun?
Der Jahreswechsel bietet für viele die Gelegenheit für neue Vorsätze, so beispielsweise den, nach den Feiertagen den Kilos auf der Hüfte den Kampf anzusagen. Gerade in dieser Zeit greifen viele Menschen zu „low-carb“ Produkten. Doch diese Werbeangabe verspricht oft mehr als zulässig; so haben sich bereits einige Gerichte mit dieser Angabe beschäftigt.
OLG Hamburg
Bereits 2014 entschied das OLG Hamburg (Urteil vom 24.04.2014, Az. 3 W 27/14), dass die Bezeichnung eines Müslis mit dem Titel „Low Carb“ als nicht zugelassene nährwertbezogene Angabe nach Art. 8 Abs. 1 Health Claims Verordnung (EG) 1924/2006 (kurz HCVO) wettbewerbswidrig sei. Das Gericht führt hierzu aus:
„[Die Angaben „low carb“] werden vom angesprochenen Verkehr, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, dahin verstanden, dass lediglich ein geringer Kohlenhydratgehalt des Produkts versprochen wird und nicht ein geringerer Gehalt an Kohlenhydraten, was auf ein – auch unbenanntes – Vergleichsobjekt hinweisen könnte. Die Angabe wird vom Verkehr daher […] nicht dahin verstanden, dass ein – gegenüber welchem Vergleichsobjekt auch immer – reduzierter Kohlenhydratanteil werblich hervorgehoben wird. Denn es heißt nicht „LowerCarb“ oder „mit weniger Kohlenhydraten“.“
Weiter argumentiert das Gericht, dass eine solche Angabe gerade nicht im Anhang der Health Claims Verordnung zu finden ist. Insoweit ergebe sich auch nichts anderes daraus, dass im Anhang zur HCVO die Verwendung der Angabe „reduzierter Kohlenhydrate-Anteil“ zugelassen wurde. Insofern müsse deutlich zwischen den Begriffen „gering“ und „reduziert“ unterschieden werden. Letzterer impliziere nämlich stets einen Vergleich zu dem konkreten Nährweltgehalt anderer Produkte der gleichen Gattung, demgegenüber eine niedrigere Menge hervorgehoben werden dürfe. Gegen einen solchen Vergleich spreche aber bereits das Verkehrsverständnis, nach dem die Angabe „low“ bzw. „gering“ nicht auf ein Vergleichsobjekt hinweise, sondern vielmehr eine generelle, individuelle Aussage über den geringen Kohlenhydrat-Anteil treffe. Selbst aber, wenn man eine Gleichstellung der Angabe mit dem Begriff „reduziert“ annehmen wolle, erfordere Art. 9 Abs. 1 Satz 2 HCVO allerdings stets, dass ein Vergleich erfolge, also der Unterschied in der Menge des Nährstoffs im Vergleich zu Lebensmitteln derselben Kategorie und in Bezug auf dieselbe Menge angegeben werde. Dies sei nicht geschehen.
ALS
Auch der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (ALS) hält in seiner Stellungnahme 2017/10 die Angabe für unzulässig, da diese mit „geringer Kohlenhydratgehalt“ gleichzusetzen sei und die zugelassene Angabe „reduzierter Kohlenhydratgehalt“ inhaltlich in direktem Widerspruch zu der englischsprachigen Fassung stünde.
LG München
Demgegenüber vertrat das LG München I in einem Hinweisbeschluss vom 8.5.2018 (Az. 1 HK O 1318/18) die Rechtsauffassung, dass die streitgegenständliche Werbung auf dem streitgegenständlichen Flyer für das „low carb Müsli“ keine nährwertbezogene Angabe im Sinne des Art. 8 HCVO darstelle, sondern nur eine Bezeichnung, die ein Produkt im Rahmen eines allgemeinen Ernährungstrends bewirbt. Es komme nicht auf die korrekte grammatikalische Übersetzung an, sondern darauf, wie die angesprochenen Verkehrskreise „low carb“ verstehen.
Anmerkung
Beide Ansichten sind sehr extrem in die eine und die andere Richtung und übersehen dabei, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass nicht alle Verbraucher des Englischen mächtig sind und damit die Angabe „low carb“ nicht eindeutig verstehen. Insoweit ist es ohnehin empfehlenswert, der Angabe die gewünschte Aussage auf Deutsch hinzuzufügen. Erfüllt das Produkt beispielsweise die Anforderungen an die Angabe „energiearm“ oder „energiereduziert“, so kann diese Angabe beigefügt werden und damit den Bedeutungsgehalt der Aussage „low carb“ für Verbraucher beeinflussen und klarstellen. Angaben, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung haben, sind nach der HCVO zulässig, sodass in dieser Hinsicht die Angabe auch rechtlich zulässig sein kann.
Es bleibt also festzuhalten, dass nicht jegliche Verwendung der Angabe „low carb“ ausgeschlossen und eine rechtlich zulässige Verwendung möglich ist. Das Verbraucherverständnis der Angabe „low carb“ ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtaufmachung zu ermitteln und kann ebenfalls nicht ohne Weiteres pauschalisiert werden (EuGH, Urt. v. 4.6.2015, C-195/14 – Himbeer-Vanille-Abenteuer).