Basels berühmtes Backwerk – Basler Leckerli sind wir genannt…

Foto: © Irene Krauß

Irene Krauß, Volkskundlerin, ehem. Leiterin des Museums der Brotkultur, freiberufliche Publizistin und Autorin zahlreicher Werke zur Entstehung und Entwicklung von Backwaren und zur Nahrungsvolkskunde

„…weil wir von Basel ausziehn durch’s Land…“ reimte man bereits 1839 in der Zeitschrift „Der Wanderer in der Schweiz“. Und in der Tat haben die viereckigen und mit weißer Zuckerglasur bestrichenen Lebkuchengebäcke über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus begeisterte Abnehmer. Kennzeichnend sind die hochwertigen Zutaten, wie die bewusst grob gehackten Mandeln, Haselnüsse, Honig, Gewürze sowie Zitrusfruchtschalen. Und nicht zu vergessen das Kirschwasser.

Zu Recht sind die Basler stolz auf ihre lokaltypische Leckerei, die in Werbetexten der Stadt in einem Atemzug genannt wird mit dem „Münster, der altehrwürdigen Universität und der Basler Fasnacht“. Zwar werden die feinen Honigkuchen in mannigfachen Varianten auch in anderen Gegenden der Schweiz hergestellt, doch als eigentliche Spezialität haben sie sich nur in Basel ausgebildet.

Vom Lebkuchen zum Leckerli

Aber greifen wir ein bisschen zurück! Lebkuchen sind in Basel bereits seit dem 14. Jahrhundert schriftlich bezeugt und damals schon sehr beliebt gewesen. Interessanterweise führt uns das Basler Lebküchnerhandwerk in seinen Anfängen keineswegs − wie ja anzunehmen wäre − in die Zunftgemeinschaft der Brotbecken, sondern in die des Safrans. Zu dieser Zunft gehörten auch die Gewürzkrämer, und da die Lebküchner mit „Kramwaren“ in Form von Gewürzen umgingen, waren sie ebenfalls der Safranzunft zugeteilt. Im Laufe der Zeit zogen die Lebküchner auch alleine auf Jahr- und Wochenmärkte oder Messen und verkauften ihre eigenen Lebkuchen. Dass die Lebkuchenmacher gar nicht so sehr auf ihre Eigenständigkeit pochten und selbst im 17. Jahrhundert noch der Safranzunft angehörten, mag mit ihrer durchaus lukrativen Verbindung zu den Gewürzhändlern und den eigenen Privilegien beim Einkauf von Honig zusammenhängen. Als Hauptverbraucher von Honig hatten die Basler Lebküchner nämlich im 15. Jahrhundert bereits das Monopol auf den in die Stadt gebrachten Honig erhalten. Das sah so aus, dass die Angestellten im städtischen Kaufhaus jeden einzelnen Lebküchner der Stadt über eine eingegangene Sendung Honig unterrichteten und die Lebküchner 24 Stunden das Vorkaufsrecht besaßen. Erst danach wurde der Honig zum allgemeinen Verkauf freigegeben.

Aber wann nun wurden aus den einfachen Lebkuchen in Basel feine Lebkuchen und Leckerli? Mündlichen Berichten zufolge soll die Geburtsstunde der Leckerli bereits im 15. Jahrhundert liegen, nämlich zwischen 1431 und 1448, als Basel ganz im Zeichen der großen Kirchenversammlung stand. In dieser Zeit des Konzils dürften Tausende von Menschen in die Stadt geströmt sein, die somit jahraus, jahrein ein buntbewegtes Bild bot. Inmitten des Menschengetümmels und Markttreibens standen die Handelsleute und Krämer. Lebküchner verkauften ihre feinen traditionellen Lebkuchen und boten das ver­­edelte Basler Honiggebäck an − das jedenfalls hätte der eine oder andere Geschichtsinteressierte gerne aus den Gegebenheiten herausgelesen. Das sind nichts als Mutmaßungen, die so nicht haltbar sind, da die sehr kostspieligen Bestandteile der Basler Leckerli wie Mandeln, Orangeat, Zitronat, Zucker und diverse Gewürze damals noch wenig oder gar nicht bekannt waren. Es dürfte sich seinerzeit eher um die üblichen Lebkuchen gehandelt haben, bestehend aus Roggenmehl, Honig und dem einen oder anderen Gewürz.

„Extra gute Lebkuchen“ – millimetergenau

Als Spezialität aus Basel und unter dem Namen „Leckerli“ wird das Backwerk im frühen 18. Jahrhundert erstmals genannt, nachweislich im Jahr 1711. „3 Blatten Läckerlin“ werden in den Akten der „Gartnernzunft“ als exklusiver Nachtisch nach einem festlichen Mahl der Pastetenbäcker erwähnt. Das ist wunderbar eindeutig, wobei es noch geraume Zeit gedauert hat, bis sich der Begriff „Leckerli“ für feine Basler Lebkuchen endgültig durchsetzen konnte. Jedenfalls begegnet einem das Backwerk bei der Beschreibung aufwendiger Tischgesellschaften der Basler Zünfte bis Ende des 18. Jahrhunderts auch unter den Namen „Leckerlein“, „extra gute Lebkuchen“, „Basler Lebkuchen“ oder „Basler Leckerlein“.

Viele Rezepte …

Die erste Erwähnung der Leckerli deckt sich mit den Basler Rezeptsammlungen, in denen das harte Lebkuchengebäck ebenfalls erst Anfang des 18. Jahrhunderts auftaucht. Demnach hat es so lange gedauert, bis sich die guten Basler Lebkuchen zu hochfeinen Basler Leckerli gemausert haben. Schließlich war erst wenige Jahrzehnte zuvor die dafür benötigte süße Glasur aus feinem Zucker bekannt geworden. Die Verwendung von Kirschwasser allerdings, mit dem die Leckerli „luftig“ gemacht werden sollten, hatte sich in Basel sogar früher als in anderen Städten eingebürgert. Wen wundert’s, war doch die Stadt gänzlich von weithin bekannten und vielgerühmten Kirschen-Anbaugebieten umgeben. Im 19. Jahrhundert gab es dann kaum mehr ein deutschsprachiges Kochbuch im In- und Ausland, das nicht ein Rezept für Basler Leckerli aufgeführt hätte. Auch in vielen großen Konditoreilehrbüchern war es zu finden − Leckerli waren in der gehobenen Gesellschaft en vogue.

Geradezu ein „Leckerli-Missbrauch“ ist allerdings ein Vorschlag des Schweizer Dichters Gottfried Keller, der im Jahre 1875 Basler Leckerli an die befreundete Mari von Frisch sandte und ihr empfahl, das Gebäck in Wein zu tauchen, in ein Tüchlein zu binden und diesen „Lutschbeutel dem Sprössling ins Mäulchen zu stecken, damit er sich an den Wein gewöhnt“. Wohlgemerkt an den Wein, nicht an die Leckerli!

… und viele Leckerli-Bäcker

Wer die Leckerli in Basel nun zuerst gebacken hat, ist schwer zu sagen, da sich die Verfeinerung des Lebkuchens sowie die Namensänderung allmählich vollzogen haben.
Neben den Lebküchnern und den konkurrierenden Zuckerbäckern war die Zubereitung feiner Lebkuchen, später dann der typischen Basler Leckerli, seit Langem auch in gutbürgerlichen Haushalten Mode. Das Rezept bereitete eine Menge Arbeit: Berge von Mandeln mussten geschält und zerkleinert, Gewürze fein geschnitten und die Zutaten in großen Kesseln auf dem heißen Herd gemischt und zusammengerührt werden. Frauen konnten diese Arbeit alleine kaum bewältigen, und so lieh man sich gegenseitig Gärtner, Packträger oder Knechte aus; starke Männer jedenfalls, welche die Ingredienzen gemischt und die zähe heiße Honigteigmasse verrührt haben. Ab und an holte man auch patrouillierende Soldaten zum Rühren des Teiges von der Straße.
Es gab viele backkundige Basler Hausfrauen und -mägde; wahre Leckerli-Künstlerinnen, die ihre nach streng gehüteten Familien­rezepten meisterhaft hergestellten Lebkuchen lediglich noch zum Backen und Schneiden zum Bäcker brachten. Für diese „Weibsbilder, Köchinnen und Mägde“ fand die Lebküchnerzunft aus naheliegenden Gründen strenge Worte und ereiferte sich vor allem gegen die „Weibsbilder, die in Witwenstandt gerathen“ waren oder gegen „ledige Bürgers Töchteren“, die, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, aus schlechten, verdorbenen Zutaten zu Hause Lebkuchen herstellten und auf dem Markt billig verkauften. Die so Gescholtenen wussten sich sehr wohl zu wehren und wiesen nicht nur auf die unbestrittene Qualität ihrer Ware hin, sondern auch auf die sicherlich bis heute jeder Stadtkasse genehme Tatsache, dass sie durch ihre Backtätigkeit nicht „wie viele andere, dem Spital (Armenhaus) zur Last gefallen“ seien. Die städtische Obrigkeit muss erkannt haben, dass das Thema ein heikles war, und vertagte ihre Stellungnahme über Jahrzehnte!

Leckere Basler Läckerli aus dem Läckerli Huus

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen auch eine Reihe von Unternehmen in der Region Basel mit der fabrikmäßigen Produktion des Backwerks. 1904 spezialisierte sich der junge Bäcker, Konditor und Confiseur André Klein auf die Herstellung der Basler Läckerli (mit ä!) und gründete in Basel das Läckerli Huus − das Unternehmen trägt seine berühmte Spezialität somit schon quasi bildhaft im Namen. André Klein nutzte von Anfang an besonders dekorative Blechdosen als Verpackung, um das Gebäck lange Zeit frisch zu halten. Die hochfeine Basler Lebkuchenspezialität und kreativer Kunstverstand gehörten im Unternehmen also seit jeher zusammen und ergaben in dieser Kombination einen hochwertigen Geschenkartikel. Bis heute schenkt man diesem letzten Arbeitsschritt im Basler Läckerli Huus große Aufmerksamkeit und fertigt geschmackvolle Verpackungen, bedruckte Kartonschachteln, Blechdosen und Blechtrommeln. Schönes und Zweckmäßiges wird verbunden und die Kunden in aller Welt, denen das Unternehmen bereits seit 1960 Basler Läckerli auf dem Versandweg anbietet, wissen diese Verbindung zu schätzen. Im Jahr 1950 war das erste Ladengeschäft eröffnet worden und heute hat das Unternehmen 10 Filialen in der ganzen Schweiz. Der Flagship-Store − also ein besonders exklusives Ladengeschäft, das ein umfangreiches Angebot des Gesamtsortiments führt − befindet sich bis heute an der Gerbergasse 57 in der Basler Innenstadt.

Wer also − gerade zur Weihnachtszeit − noch um ein originelles Mitbringsel verlegen ist, der sollte an das hochfeine Basler Lebkuchengebäck denken. Schließlich verdankte bereits ein berühmt gewordener Basler Ratsschreiber den guten Eindruck, den er als Student bei seinen Herren Professoren hinterließ, unter anderem einer Sendung Leckerli, die ihm seine Mutter in die Universitätsstadt Göttingen übersandt hatte. Voller Dankbarkeit schrieb der Studiosus seiner Mutter hinsichtlich der Leckerli zurück: „Ich kann Sie auch beruhigen, dass ich Ehre damit eingelegt habe…“. Das war 1748!

Die hohe Kunst des Leckerli-Backens

Damit sich der „Uneingeweihte“ bei so viel historischen Berichten die berühmten Basler Leckerli auch geschmacklich vorstellen kann, sei nun ein Schweizer Originalrezept genannt, das sich im Archiv des Basler Läckerli-Huus befindet:

Zutaten
4500 g echter Bienenhonig
4000 g Zucker
4000 g grobgehackte Mandeln
1000 g Zitronat
750 g Orangeade
100 g Zimt
25 g feingeriebene Gewürznelken
12 g Muskat
Das Abgeriebene von fünf Zitronen
5500 g feines Weizenmehl
3,5 dl Kirschwasser

Für die Glasur
Zucker
Kirschwasser
ggf. Gelatine

Zubereitung
4500 g echter Bienenhonig und 4000 g Zucker werden unter ständigem Rühren bis zu 80°C über dem Feuer erhitzt. Ist diese Temperatur erreicht, stellt man die Flamme kleiner und rührt 4000 g grobgehackte Mandeln darunter und achtet darauf, dass die Masse wieder 80° heiß wird. Vorher hacke man 1000 g Zitronat und 750 g Orangeade zu kleinen Würfeln. Diese rührt man nun darunter und hält die Masse wieder auf die angegebene Hitze.

An Gewürzen kommen schließlich darunter: 100 g Zimt, 25 g feingeriebene Gewürznelken, 12 g Muskat und das Abgeriebene von fünf Zitronen.

Schließlich werden noch 5500 g feines Weizenmehl darunter geknetet und 3,5 dl Kirschwasser, ehe das Mehl ganz vermischt ist. Triebmittel braucht diese feine Masse keine.

Nach dem Durchkneten deckt man den Teig mit einem Tuch zu, da er beim Erkalten hart und fest wird. Beim Ausarbeiten erleichtert man sich die Arbeit, wenn man den Teig im Wärmeschrank aufbewahrt und Stück für Stück ausarbeitet. Man rollt ihn aus und achtet darauf, dass keine Randabfälle entstehen. Am besten rollt man den Leckerliteig zwischen Eisenstäben oder einem Holzrahmen aus.

Die Backbleche, auf denen der Teig aufgelegt wird, müssen gut bestaubt sein. Die ausgerollten Teige werden tüchtig mit einer Gabel gestupft.

In einem mittelwarmen Rohr, bei offenem Zug, vorsichtig abbacken. Danach werden die Leckerliplatten gut abgebürstet, damit keine Mehlreste haften.

Zum Glasieren wärmt man die Platten nochmals ein wenig auf. Für die Glasur wird Zucker aufgelöst und zum starken Faden (109°C) gekocht; anschließend mit etwas Kirschwasser abgeschreckt. Glasiert wird mit einer trockenen, weichen Bürste oder einem flachen Pinsel. Damit die Glasur länger ihren Glanz behält, kann etwas aufgelöste Gelatine hinzugefügt werden.

Zusammenfassung

Vom traditionellen Honiglebkuchen zum feinen Basler Leckerli

Bis heute finden die weiß gesprenkelten Leckerli, die früher in vielen Familien Basels nach eigenen, streng gehüteten Rezepten hergestellt wurden, über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus begeisterte Abnehmer. Bereits im 14. Jahrhundert waren gute Honiglebkuchen in Basel schriftlich bezeugt. Allerdings entwickelten sich die hochfeinen Basler Leckerli erst im 18. Jahrhundert. Auch die bis heute übliche Bezeichnung Leckerli tauchte in den Basler Ratsbüchern erst im Jahr 1720 auf. Typisch für die millimetergenau geschnittenen Leckerli sind bewusst grob gehackte Mandeln und Haselnüsse sowie Honig, Gewürze und Zitrusfruchtschalen. Die süße Zuckerglasur über dem Honiggebäck war Ende des 17. Jahrhunderts bekannt geworden. Von Beginn an fügte man dem seinerzeit in der gehobenen Gesellschaft besonders beliebten Backwerk schon einen guten Schuss Kirschwasser dazu. Das verwundert nicht, war doch die Stadt gänzlich von Kirschen-Anbaugebieten umgeben.

Im Jahr 1904 spezialisierte sich der junge Bäcker und Konditor André Klein auf die fabrikmäßige Herstellung der Basler Läckerli (mit ä!) und gründete in Basel das Läckerli Huus, das bis heute weit über die Grenzen Basels bekannt ist. Neben der Qualität des traditionellen Backwerks schenkt man im Basler Läckerli Huus bis heute vor allem einer originellen und kreativen Verpackung große Aufmerksamkeit.

 

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