Werdegang eines exklusiven Genusses – Vom spröden Schiffszwieback zur feinen Biskuitmasse

Foto: © Pitamaas on iStock

Irene Krauß, Volkskundlerin, ehem. Leiterin des Museums der Brotkultur, freiberufliche Publizistin und Autorin zahlreicher Werke zur Entstehung und Entwicklung von Backwaren und zur Nahrungsvolkskunde

… womit schon angedeutet wird, dass die Entstehung des Wortes und der Sache Biskuit einigermaßen verzwickt ist. Dazu muss man wissen, dass der Begriff im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel erfahren hat, denn er bezeichnete ursprünglich ein einfaches, zweifach gebackenes Backwerk aus Mehl und Wasser. Ein im wörtlichen Sinne „Zweygebackenes“ eben! Dies zur Erläuterung für all diejenigen, die beim Wort Biskuit gleich an die heute bekannte lockere Biskuitmasse aus Eiern, Zucker und Mehl denken.

Die Ahnen der Biskuitmasse

Die moderne Konditorei wäre ohne Biskuitmasse kaum vorstellbar, ist sie doch eine ideale Grundlage für feine Backwaren und bestens geeignet für Füllungen und Auflagen. Werden der Biskuitmasse noch Fetterzeugnisse wie Butter, Margarine oder Pflanzenfette beziehungsweise Pflanzenöl hinzugefügt, spricht man in der Konditorenfachsprache von einer „Wiener Masse“.
Ein Blick zurück zeigt jedoch, dass es ein langer Weg war zu der besagten leichten und feinen Biskuitmasse. Da wäre zunächst einmal der Name Biskuit, der in der Geschichte des Backwesens eine lange Tradition hat: Wörtlich übersetzt bedeutet er „zweimal Gebackenes [Brot]“, vom lateinischen „bis coctus [panis]“. Ursprünglich begann der Biskuit seine Laufbahn also als eine zwei- oder sogar dreimal gebackene Dauerbackware; genauer gesagt, als ein haltbarer Schiffszwieback aus Mehl und Wasser, der bereits bei den Römern als „panis nauticus“ bekannt war. Unter dem römischen Kaiser Julian (331–363) diente eben dieser Zwieback auch als Militärbrot für die Fußtruppen. Er erwies sich über lange Zeit eben als praktisch zur Basisernährung bei langen Strecken. Viele Jahrhunderte später, um das Jahr 1000, berichtete dann Ekkehard IV. aus dem Küchentrakt des Klosters St. Gallen von einem ähnlich hergestellten Brot, das aber „durch Eier getrieben war“. Das stellt zwar eine Verfeinerung des Backwerks dar, reicht aber als Merkmal für eine biskuitähnliche Masse nicht aus.

Auf Spurensuche

Erst Jahrhunderte später finden sich deutliche Vorstufen der Biskuitmasse. So trifft man im 16. Jahrhundert wiederholt auf Rezepte für „Zweygebackenes“, gemeint war ein Backwerk, das mit Mehl, Eiern, Milch und Gewürzen bereitet wurde. Eine scharfe Trennung der Begriffe Zwieback und Biskuit sowie der jeweiligen Zutaten erfolgte allerdings nicht, sodass es schwierig ist, die genauen Übergänge auszumachen. Die frühen Rezepte helfen aber unserer Vorstellungskraft und zeigen, dass Biskuit auch in der frühen Neuzeit noch ganz und gar nicht das war, was wir heute kennen. So lässt sich beispielsweise ersehen, dass die zunehmende Verfeinerung des Teiges durch Eier erst ganz allmählich den Einsatz von Hefe als Lockerungsmittel in biskuitähnlichen Teigen überflüssig machte. Mit anderen Worten: Je größer die Menge an Eiern, desto kuchenähnlicher und zarter wurde das Biskuitgebäck. Die Mengenverhältnisse der Zutaten untereinander und die unterschiedliche Verwendung von Eiweiß, Eigelb oder Vollei blieben jedoch der eigenen Vorstellung überlassen. Erst ein Jahrhundert später, nach 1700, pflegte man Eigelb mit Zucker lange schaumig zu rühren und nach und nach Eiweiß zu Schnee aufzuschlagen. Das war ein großer Schritt vorwärts in der Entwicklung des Konditoreiwesens und in der Kunst der feinen Kuchenmassen.

Auf dem Weg zu einem Feingebäck

Alles in allem entstanden zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert etliche Varianten eines Backwerks, die irgendwo zwischen feinem Zwieback, Anisplätzchen und Biskuit, so wie wir ihn heute kennen, einzuordnen sind. Marx Rumpolt beispielsweise (um 1525-1593), renommierter Mundkoch zweier Mainzer Kurfürsten und Autor eines Prachtbandes erlesener Tafelgenüsse, beschrieb 1581 ein recht umfangreiches Sortiment solcher biskuitähnlicher Gebäcke aus weißem Mehl, Eiern, Bierhefe und gelegentlich etwas Zucker, gewürzt mit Anis und Koriander. Nach dem Backen wurden diese Backwerke oft nochmals getrocknet. Der Einsatz von Ei erfolgte offenbar zurückhaltend, sodass es dem Kochbuchautor angeraten schien, das zweimalige Backen beizubehalten. Mit steigender Ei-Menge wurde dies unnötig, ja, es hätte sich auf das zunehmend zarter werdende Gebäck sogar ungünstig ausgewirkt.
Bei Rumpolt entdeckt man auch schon „Piscoten von lauter Eyerweiß“. Die Bezeichnung verrät es bereits: Zu Mehl, Anis und Koriander kam Eiweiß hinzu. „Mit weißem Zucker“ wurde das Ganze „wol süß“ gemacht. Den Teig legte man auf Oblaten, ließ ihn backen und schnitt ihn danach in Streifen von einer halben Fingerdicke, die nochmals getrocknet wurden. Das Resultat war ein Kleingebäck, das wir heute als Anisplätzchen bezeichnen würden. Bezüglich der Form begegnen wir einem Ahnen unserer Löffelbiskuits. Und noch etwas: Wäre der Teig statt mit Anis mit Vanille gewürzt worden, hätte man ein Gebäck wie „Russisch Brot“ beziehungsweise die im Fränkisch-Württembergischen bekannten kleinen, tropfenförmigen „Wibele“ erhalten.

Neue Qualität der teige im 17. Jahrhundert

Die Anfänge der „echten“ Biskuitmasse, wie überhaupt der zarten, lockeren Rührkuchen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts, waren eng mit der notwendigen Kenntnis verbunden, dass sich Butter und Zucker, aber eben auch Eier und Zucker, durch langes Rühren zu einem Schaum von besonders lockerer Konsistenz verbinden lassen. Zusammen mit nunmehr feinerem Weißmehl und der bereits länger bekannten Weizenstärke („Krafftmehl“) ergab die homogene Eier-Zucker-Masse eine neue Qualität der Kuchenteige. Nicht zuletzt beruhte die Zartheit der Gebäcke auch auf dem nach 1700 allmählich aufkommenden neuen Grundsatz, Eigelb und Eiweiß getrennt zu verarbeiten und das Eiweiß zu Schnee aufzuschlagen. Die dabei eingearbeitete Luft ließ den Teig locker und flaumig werden. Und noch etwas: Da nur Zucker, nicht aber Honig, für Biskuitgebäcke geeignet ist, setzte deren Aufkommen in der häuslichen und der gewerblichen Backstube einen gewissen Wohlstand voraus. Die Nachfrage in vornehmen Kreisen nach der exquisiten Masse war groß, und feine (Biskuit-)Kuchen erlangten im Rahmen der Essgewohnheiten zunehmende Bedeutung. Das beweist die große Zahl der in den Kochbüchern überlieferten Rezepte. Auch die dafür benötigten Backutensilien gab es: Jeder gehobene Haushalt verfügte bald über eine ansehnliche Zahl kleiner „Biskotten-Schälchen“ aus Blech in verschiedenen Formen und Größen sowie über Kastenformen, die sogenannten Mauersteinformen. Backformen aus Papier, aus denen die kleinformatigen Biskuitgebäcke gut zu lösen waren, benutzte man ebenfalls.
Weitere Informationen erhält man bei einem Blick auf Frankreich, wo Ende des 17. Jahrhunderts ebenfalls echte Biskuitmassen auftauchten. Blättert man eines der älteren französischen Süßwarenbücher auf, etwa das „Traité de Confiture ou le nouveau et parfait Confiturier […]“ aus dem Jahre 1698, so findet man eine Reihe unterschiedlichster Biskuitarten. Da wäre etwa ein Rezept für sogenannte „gewöhnliche Biskuits“ („biscuits communs“), das vom Arbeitsaufwand her gesehen alles andere als gewöhnlich war. Frei übersetzt ist da zu lesen:

„Man nimmt etwa acht Eier, schlägt sie auf und schlägt das Weiße und das Gelbe in einer Schüssel eine halbe Stunde lang mit einem Holzspatel; dann schüttet man ein Pfund Zucker […] hinein; ist alles gut durcheinander gerührt, gibt man ein Pfund gutes Mehl hinzu, mischt es darunter und schlägt alles eine halbe Stunde lang. Dann werden zwei Fingerspitzen voll Anispulver zugefügt […], worauf man den Teig in Kästen oder in Weißblechformen oder in Papier füllt. Dann stellt man die Biskuits in einen heißen Backofen […]“.

Ohnehin sind die Anfänge dieses besonders feinen, kuchenartigen Teiges mit Eiern, Mehl, Gewürzen und Zucker vermutlich in Frankreich, vielleicht auch in Italien zu suchen, denn zu den Ende des 17. Jahrhunderts bekanntesten echten Biskuitarten zählten Biskuit (ital. „biscotto“) aus dem italienischen Piemont und dem französischen Savoyen. Dass sich in der internationalen Küchenfachsprache das französische „Biskuit“ durchgesetzt hat, lässt sich aus dem steigenden französischen Einfluss in Angelegenheiten der Küche und der Lebensform erklären.

Nach 1700 gab es dann schrittweise immer mehr Rezepte auf der Basis „echter“ Biskuitmassen. Eigelb und Eiweiß wurden getrennt geschlagen und sorgfältig vermischt. Nicht umsonst riet manches alte Rezept, so lange zu rühren, „bis die Masse sehr luftig“ sei, und das konnte – laut Anweisung – schon mal zwei Stunden dauern. Das wiederum verlangte starke Arme – und viel Zeit! Wer würde heute noch freiwillig mit einem so armseligen Küchenutensil wie dem oft beschriebenen Holzspatel stundenlang rühren wollen? An feinen Zusätzen sparte man aber auch damals nicht. Vielfach wurden Mandeln, Nüsse oder Schokolade zur Verfeinerung der Biskuitmasse hinzugenommen. Rosenwasser, Rosenöl, Malagawein oder geriebene Zitronenschale verwendete man ebenfalls gerne. Durchaus interessante Abweichungen also vom Herkömmlichen! Teuer waren diese Zutaten allemal, vom Arbeitsaufwand für die gesamte Biskuitmasse ganz zu schweigen.

Zwieback oder Biskuit?

Ganz verzwickt ist, dass mit der Bezeichnung Biskuit je nachdem im 17. und 18. Jahrhundert noch genauso gut ein knusprig-harter Zwieback mit Hefezusatz wie die eihaltige, lockere Biskuitmasse gemeint sein konnte. Kompliziert war die sprachliche und sachliche Unterscheidung zwischen Zwieback und Biskuit allein dadurch, dass die französische Form „Bis-cuit“ (lat. „bis = zwei“ und frz. „cuit/cuire = kochen, braten, backen“) vom Elsass ausgehend Ende des 16. Jahrhunderts wortwörtlich ins Deutsche übertragen wurde und daraus „Zweyback“, also „Zwieback“ gemacht wurde. Der neue deutsche Begriff Zwieback setzte sich im Laufe des 17. Jahrhunderts durch und verdrängte die bis dahin üblich gewesene Bezeichnung Biskuit in seiner Bedeutung für zweimal gebackenes Brot. Die eigentliche Biskuitmasse, so wie wir sie heute kennen, begann damals aber ihren neuen, oben beschriebenen Siegeszug. Auf Grund der Wandlung des Begriffs konnte und kann es natürlich zu gelegentlichen Verwirrungen kommen. So erhielt beispielsweise die Mannschaft eines Segelschiffs im 17. Jahrhundert für eine Ostindienfahrt pro Person „4 Pfund Biscuyt oder Zweygebachen Brot“ als Dauerbackware zur Verpflegung. Daher wird bei alten Berichten immer ganz genau nach dem Zusammenhang, den Zutaten und der Verarbeitung zu fragen sein, um über die Beschaffenheit des Gebäcks entscheiden zu können. Wenn zum Beispiel der mittelhochdeutsche Lyriker Tannhäuser 1260 auf einer Schiffsreise im Mittelmeer klagt: „Min wazzer daz ist truebe, min piscot der ist harte“, so kann man noch mit Sicherheit davon ausgehen, dass er nicht über die Qualität einer Zucker-Mehl-Ei-Masse murrte, sondern über seinen trockenen Schiffszwieback. Wie so oft vermittelt aber nicht nur die Sache selbst, sondern auch die Sprache manches aus der Vergangenheit. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Französischen: Das französische Wort Biskuit drang, vor allem in seiner frühen Eigenschaft als Schiffszwieback, derart in das dortige Nationalleben ein, dass „s’embarquer sans biscuit“, also „sich ohne Schiffszwieback einschiffen“, noch Ende des 19. Jahrhunderts sprichwörtlich so viel bedeutete, wie sich in irgendeine Unternehmung einzulassen, ohne mit dem Erforderlichen ausgerüstet zu sein. Und noch ein Letztes: Im britischen Sprachraum bezeichnet „biscuit“ jede Sorte von Keks. Darunter fällt das, was die Amerikaner „cookies“ nennen. Für die wiederum ist ein biscuit nicht zwangsläufig süß, sondern kann auch weniger trocken oder sogar herzhaft sein.

Neuorientierung zum Süßen

In die Blütezeit der Biskuitgebäcke fällt auch das Aufkommen von Kaffee, Tee und Trinkschokolade. Wer sich die neu aufgekommenen feinen Kuchen leisten konnte, der leistete sie sich zusammen mit diesen Heißgetränken. Eine Neuorientierung zum Süßen hin also, die sich vor allem in bürgerlichen und gehobenen Schichten durchsetzte. Angeregt durch diese Veränderung des Nahrungsgefüges etablierte sich neben den Kaffehäusern zudem ein neuer Typus der häuslichen Besuchsmahlzeit, die in Mitteleuropa bis heute mit der Begriffseinheit „Kaffee und Kuchen“ charakterisiert wird: das „Caffé-Kränzgen“ oder die „Caffé-Visite“. Im 18. Jahrhundert zunächst an den Fürstenhöfen verbreitet, drang die Gepflogenheit des Morgenkaffees und der Kaffee­mahlzeit allmählich in die Privathaushalte ein. Kein Wunder, dass aufgrund dieser neuen gesellschaftlichen Gewohnheit die Qualität der Kuchenmasse immer wichtiger geworden war, denn zu den herben Getränken passten die leichten, feinen Biskuitkuchen besonders gut. Die seinerzeit schon sehr versierten Konditoren beziehungsweise Zuckerbäcker gaben sich jedenfalls alle Mühe, den Ansprüchen der wählerischen Kundschaft zu genügen. Die Zubereitung des harten Zwiebacks dagegen blieb dem Bäcker überlassen.

Lockere Sandtörtchen − die Madeleines

Das Angebot an feinen Backwerken vergrößerte sich in den wohlhabenden Kreisen in dieser Zeit. Besonders beliebt und häufig erwähnt sind beispielsweise die sogenannten Madeleines, eine Feine Backware aus einer zarten Butter-Eier-Zucker-Masse mit Mehl, und das Modegebäck um 1730 in Versailles. Nach heutiger Kategorisierung handelt es sich dabei um Backwaren aus Sandmasse und nicht aus Biskuitmasse. Über die genaue (Namens-)Entstehung kann man nichts als mutmaßen: Eine Köchin namens Madeleine soll die zarten Backwerke dem Herzog von Lothringen erstmals in seiner französischen Sommerresidenz Commercy vorgesetzt haben, damals versetzt mit Orangen- und Bergamottearoma. Klar ist, dass es sich bei den Kleingebäcken um ein Backwerk von erlesener Qualität handelte, das beim gehobenen Publikum seinerzeit großen Anklang fand. Allein die beim langen Schlagen des Teigs eingearbeitete Luft ließ die Masse locker und flaumig werden. Verfeinert wurde die Masse gerne mit verschiedenen Aromen, bevor sie dann in den typischen Formen mit eingestanzten Muscheln gebacken wurde.
Noch etwas steht fest: Die muschelförmigen Küchlein hatten nicht nur einen gewaltigen Einfluss auf den damaligen Süßgeschmack, sondern noch Jahrzehnte später einen gewissen Nachhall in der französischen Literaturgeschichte. Der Schriftsteller Marcel Proust nämlich (1871-1922) widmete dem Gebäck zu Beginn seines immerhin 3000 Seiten umfassenden, siebenteiligen Romans „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gleich mehrere Seiten. Der Geschmack eines „aufgeweichten kleinen Stück(s) Madeleine“ wird dem Ich-Erzähler zu einem sinnlichen Genuss und zu einer Erinnerung an seine Kindheit: „In der Sekunde nun, als dieser mit dem Kuchengeschmack gemischte Schluck Tee meinen Gaumen berührte, zuckte ich zusammen […] ein unerhörtes Glücksgefühl […].“

„Ich habe immer noch von Ihrem Biskuit …“

schrieb 1777 einer, der bekanntermaßen für Zuckerwaren jeder Art zu haben war: Johann Wolfgang von Goethe an Charlotte von Stein. Gerade Biskuitgebäcke schien Goethe nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig zu verzehren; jedenfalls erbat sich der Dichtergourmet in vielen seiner Briefe an die Familie neuen Vorrat. Das ist wunderbar eindeutig und nur ein Beispiel für die Beliebtheit feiner Biskuitgebäcke und -kuchen Ende des 18. Jahrhunderts auch in Deutschland. Die Rezeptanweisungen in alten Kochbüchern, wie der Stuttgarter „Neue Sammlung vieler Vorschriften von Fastenspeisen und allerley Koch- und Backwerk für junges Frauenzimmer“ aus dem Jahre 1798, vermitteln eine Vorstellung davon, was Goethe mit solcher Vorliebe gegessen haben mag:

„Eine Biscuit-Torte. Es wird ein Pfund gesiebter Zucker mit 20. Eyern / davon das Weisse von 8. Eyern zurück gethan wird, wohl gerührt, von einer Citrone das Gelbe auf dem Zucker abgerieben und darein gerührt; alsdann werden 3. Vierling Stärkmehl darein gerührt, und das Weisse von den 8. Eyern zum Schnee geschlagen, gleich eingerührt, und von einer halben Citrone der Saft darzu gethan, der Model geschmiert und bestreuet, und gleich eingefüllt.[…].“

Diese Torte, die mit einer Chaudeau-Sauce („Citronen-Creme mit Wein“) überzogen serviert wurde, ist unseren heutigen Biskuitkuchen schon sehr ähnlich. Natürlich ist im modernen Bäckereiwesen ein Rezept mit 20 Eiern undenkbar, da unterstützen inzwischen Backpulver und eine gute Aufschlagmaschine. Insgesamt wurden solche Backwerke im 19. Jahrhundert häufig mit Konfitüre, später auch mit Creme gefüllt und mit einer Zuckerglasur überzogen.

Zuckerbrötlein, ladyfingers, Löffelbiskuit

Auch Biskuitgebäcke haben ihre eigenen Klassiker, beispielsweise die bis heute populären Löffelbiskuits in schmaler, länglicher Form, die meist unmittelbar auf das Backblech aufgespritzt wurden. Beschrieben wurden sie zum Beispiel bei Georg Heinrich Zincke in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der bezeichnete in seinem „Allgemeinen Oeconoischen Lexicon“ eine warme Biskuitmasse, die in Abständen von einem Finger auf Papierstreifen „geklechst“, mit Zucker bestreut und leicht gebacken wurde, als „Carlsbader Zucker-Brot“. Aber damit nicht genug. In einem Schweizer Kochbuch von 1773 findet sich dafür der Name „Lange Zuckerbrötlein“. Und in einem Lindauer Fachbuch wird das Gebäck 1855 unter dem Begriff „Fingerbiskuit“ geführt. Demnach war die heute gängige Bezeichnung „Löffelbiskuit“ vor rund 170 Jahren offensichtlich noch keineswegs allgemein üblich, obschon die Meisterprüfungsordnung von Berlin im selben Jahr, 1855, die Herstellung von „Löffelbisquits“ vorschrieb. Diesen Namen dürfte das Gebäck auf Grund seiner an den Enden löffelartig verdickten Form erhalten haben.
Um noch etwas mehr Empirie beizusteuern: In Frankreich spricht man auch von „Champagner-Biskuit“, was daher rühren mag, dass das Gebäck bei unseren französischen Nachbarn häufig zum Champagner gereicht wurde. Keineswegs als Fauxpas gilt es dort, Löffelbiskuits in das edle Getränk einzutauchen. Und um die verschiedenen Namensgebungen noch um ein letztes Beispiel zu erweitern, sei auf Amerika verwiesen: Hier nennt sich das Gebäck bis heute „(dainty) ladyfingers“, was etwas platt, aber ganz wörtlich übersetzt, bedeutet: „(leckere) Damenfinger“. Den Glanz einer Luxusware behielten diese Biskuits recht lange. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielten lediglich die Kleinkinder aus besseren Haushalten die fingerlangen, gezuckerten Löffelbiskuits, wohingegen sich die Kinder ärmerer Leute meist mit Zwieback begnügen mussten, der in Milch getunkt wurde.

All dies sind Beispiele, die zeigen, dass die feine Biskuitmasse immer schon als eine ebenso teure wie exklusive Kuchengrundlage betrachtet wurde. Auch heute noch kann man sich die moderne Konditorei ohne die lockere, luftige und leichte Biskuitmasse kaum vorstellen, ist sie doch die ideale Basis für feine Backwaren. Biskuitböden, Biskuitrollen oder Kleingebäcke aus Biskuitmasse jedenfalls gehören mit zu dem Feinsten, was das Konditorenwesen zu bieten hat.

Zusammenfassung

Ursprünglich begann der Biskuit seine Laufbahn als eine zwei- oder sogar dreimal gebackene Dauerbackware, genauer gesagt als haltbarer Schiffszwieback, der bereits den Römern bekannt war. Ende des 16. Jahrhunderts wurde die mittelfranzösische Form „Bis-cuit“ wortwörtlich ins Deutsche übertragen und daraus „Zweyback“, also „Zwieback“ gemacht. Das Wort Biskuit verschwand aber nicht, sondern machte Karriere und stieg vom einfachen, zweifach gebackenen Gebäck aus Mehl und Wasser zu einer Feinbackware auf. Lange Zeit blieben die Begriffe Biskuit und „Zweygebackenes“ nebeneinander stehen, weder die Begriffe noch die jeweiligen Zutaten wurden klar unterschieden.

Die Anfänge der „echten“ Biskuitmasse gegen Ende des 17. Jahrhunderts waren eng mit der Kenntnis verbunden, dass sich Eier und Zucker durch langes Rühren zu einem Schaum verbinden ließen und damit die Grundlage für ein besonders zartes Gebäck bildeten. Dazu kam der nach 1700 aufkommende neue Grundsatz, Eigelb und Eiweiß getrennt zu verarbeiten und das Eiweiß zu Schnee aufzuschlagen. All diese Erfahrungen führten zu einer gänzlich neuen Gebäckstruktur: der feinen, lockeren Biskuitmasse! Das war ein großer Schritt vorwärts in der Geschichte der Backkunst und zeigt einmal mehr, wie lange es gedauert hat, bis Bäcker, Konditoren und Backkundige die Grundlagen für die uns heute geläufige Kuchenvielfalt entwickeln konnten.

 

 

 

Kuriosa der Brotgeschichte – Von Pumpernickel, Toastbrot und Butterbrot

Fachwissen Bäcker

Foto: © Shaiith on istockphoto… Weiter »

Gelungen geschlungen – die Brezel

Fachwissen Bäcker

Foto: © Pixabay Irene Krauß,… Weiter »

Zeit für Ostergebäck

Fachwissen Bäcker

Foto: © Martin Braun KG… Weiter »

Fastnacht zum Anbeißen – Gebäcke aus der Fettpfanne

Fachwissen Bäcker

Foto: © CSM Irene Krauß,… Weiter »

Christbrote uff Weihnachten – Der Stollen

Fachwissen Bäcker

Foto: © Pixabay/kakuko Irene Krauß,… Weiter »

Basels berühmtes Backwerk – Basler Leckerli sind wir genannt…

Fachwissen Bäcker

Foto: © Irene Krauß Irene… Weiter »

Gut gewickelt − das Kipferl: Zur Kulturgeschichte eines Frühstücksgebäcks

Fachwissen Bäcker

Irene Krauß, Volkskundlerin, ehem. Leiterin… Weiter »

Backende Foodblogger: Fluch oder Segen für die Branche?

Fachwissen Bäcker

Sandra Ganzenmüller, Inhaberin der Agentur… Weiter »

Einsatz für Einkorn, Emmer & Co.

Fachwissen Bäcker

Kathrin Feldbrügge, Pressesprecherin der Initiative… Weiter »

Brot: Dem Phänomen auf der Spur

Fachwissen Bäcker

Mag. Jürgen Reimann, Leiter Marketing,… Weiter »

Pumpernickel: Eine westfälische dunkle Brotspezialität im Vollkorntrend

Fachwissen Bäcker

Dr. Friedrich Kunz, Wien Pumpernickel… Weiter »

Tortillas – Eine mexikanische Backwarenspezialität

Backwarenkultur

Hans-Herbert Dörfner, Weinstadt; Prof. Dr…. Weiter »

Das Wissensforum Backwaren versteht sich als Ansprechpartner für alle, die mit Backmitteln und Backzutaten arbeiten.