Fastnacht zum Anbeißen – Gebäcke aus der Fettpfanne

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Irene Krauß, Volkskundlerin, ehem. Leiterin des Museums der Brotkultur, freiberufliche Publizistin und Autorin zahlreicher Werke zur Entstehung und Entwicklung von Backwaren und zur Nahrungsvolkskunde

Wer bei Siedegebäcken lediglich an den flaumigen, goldgelben, mit Konfitüre gefüllten und mit Staubzucker bestreuten Berliner denkt, der irrt. Denn wirft man einen Blick in historische und neue Kochbücher, so findet man darin regional unterschiedliche Fettgebäcke mit so eigentümlich klingenden Namen wie Ausgezogene, Schnürkrapfen und Schneeballen, Hasenöhrl, Zuckerstrauben oder Mutzenmandeln.

„Ein pachens […]“

Dass die früher als Schmalzgebäcke bezeichneten Backwerke eine lange Tradition haben, lässt sich anhand alter Backanweisungen bestätigen. Wurden diese zunächst noch vielfach unter dem vergleichsweise neu-​­tralen Sammelbegriff „ein pachens“ zusammengefasst, so differenzierten sich die Backwerke zunehmend in ihrer Bezeichnung sowie in ihrer Formenfülle: Sie erschienen langgezogen, rautenförmig oder gebogen. Sie konnten eine kugelförmige Ballenform haben oder platt gepresst sein wie eine Flunder, mit glatten oder gezackten Rändern versehen, gefüllt oder ungefüllt. Bei flüssigem Teig verwendete die Hausfrau ein Formeisen, festen Teig formte sie mit der Hand. Angesichts solcher Vielfalt lässt sich hier die volkskundliche Regel anwenden, dass eine Erscheinung umso älter ist, je vielgestaltiger und formenreicher sie ist.

Fastnacht = Zeit der Schmalzgebäcke

All diesen schwimmend in Fett ausgebackenen Backwerken gemeinsam ist, dass sie zum Großteil saisonal an die Fastnacht gebunden sind. Daraus ergibt sich die Grundsatzfrage, warum es nun gerade Siedegebäcke sind, die das kulinarische Bild der närrischen Tage prägen? Dass es diese enge Verbindung zwischen Fettgebackenem und der Fastnacht gibt, ist jedenfalls unzweifelhaft. Das belegt beispielsweise die volkstümliche Redewendung: „Ihm geht‘s nicht um die Fasnacht, ihm geht‘s um die Küchle“ oder abergläubische Vorstellungen wie „Wer an Fasnacht keine Küchle backt, kann das Jahr über nicht froh werden“. In ähnlicher Weise auf das leibliche Wohl bedacht ist der im schwäbisch-alemannischen Raum bekannte Kinderreim: „Luschtig isch de Fasenacht, wenn mei Mueder Küchli bacht“ und weiter: „Wenn sie aber koane bacht, noh pfeif i’ auf de Fasenacht.“

Schmalz vor den Tagen der schmalen Kost

Dass es zur Fastnacht vor allem Schmalzgebackenes gab, hatte durchaus auch praktische Gründe. Die Fastnacht als Vorabend der Fastenzeit stand für den nahenden radikalen Einschnitt in die alltäglichen Speisegewohnheiten. Der Konsum von Fleisch war in der sechswöchigen Fastenzeit untersagt, aber auch der Genuss von Nahrungsmitteln aus der Großvieh- und Geflügelhaltung, beispielsweise Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eier. Da Fettes zu essen früher gleichbedeutend war mit gut und üppig zu essen, empfahl sich der Verzehr von fettreichen Speisen ebenso wie von Schmalzgebäcken, zumal die entsprechenden Vorräte ja auch aufgebraucht werden mussten. Volkstümliche Redensarten wissen, dass die Fastnacht früher neben Ostern und Weihnachten die Zeit des reichlichsten Essens war. „Wenn nur Fasnacht in meiner Küche ist“, heißt es da, oder „an der man Fasnacht soll so oft essen, wie der Hund mit dem Schwanz wedelt“. Daraus folgt, dass Redewendungen wie „Viel essen und trinken an Fasnacht soll man, um ‚Fülle‘ zu erhalten“ eben durchaus wörtlich zu nehmen sind. Davon einmal abgesehen schrieb der volkstümliche Glaube in früheren Jahrhunderten dem Fett − aber Küchlefett musste es sein – offenbar auch eine besondere Fruchtbarkeitswirkung zu. Wachstumsfördernd sollte es sein, ja sogar Heil- und Abwehrkräfte sollte es haben und so schmierte man noch bis ins 19. Jahrhundert ab und an auch Fuhrwagen und das Joch der Zugtiere damit ein. Selbst Hühner und Marder bekamen ihr Fett weg – Hühner, damit sie legten, Marder und Füchse, damit sie eben nicht erlegten! Jedenfalls weiß ein Nachschlagewerk des 19. Jahrhunderts zu Bräuchen in Schwaben zu berichten, dass man Füchsen ein Fastnachtsküchle im Gebüsch versteckte, um sie von den Hühnern abzulenken.

Zwischen Völlerei und Darben

Vor allem in der häufig milchreichen, aber getreidearmen Bergbauernwirtschaft waren Milch, Butter und Schmalz in der Regel reichlich verfügbar, und so wundert es nicht, dass diese in Form von in Schmalz gebackenen, eierhaltigen Fastnachtsküchlein verwertet worden sind. Nach und nach entstand ein großes, landschaftlich verschiedenes Repertoire an Fastnachtsgebäcken, die gerne in öffentlichen Gelagen gegessen oder verschenkt wurden.

Bis ins späte Mittelalter billigte die Kirche solche Völlerei vor den Fasten- und Bußwochen. Als aber die öffentlichen Gelage überhandnahmen und die Sitten allzu derb wurden, begann so mancher Kirchenvertreter die Unmäßigkeiten mit sehr gemischten Gefühlen zu betrachten. Aber was half es, dass der wortgewaltige Augustinerprediger Abraham a Sancta Clara am Fastnachtssonntag des Jahres 1676 in der Kirche fast schon bühnentauglich donnerte: „Heut ist ein Festtag und ein Freßtag.“ Geahnt hatten das schon viele vor ihm! Knapp 80 Jahre zuvor war beispielsweise der Pfarrherr von Litzelstein, Heinrich Vogel, beim Gedanken an die Schmalzpfannen in heiligen Zorn geraten und hatte gegen das „Küchlein backen / Strauben /[…] und wie sie mehr heißen“ als ein „antichristlicher greul“ gewettert, das er gar als „Teuffels dreck“ anprangerte.

Fettgebackene Vielfalt

Die genannten „Küchlein“ und „Strauben“, wie überhaupt die im Laufe der Zeit entstandene breite Palette an Fettgebäcken, verdienen eine nähere Betrachtung. Da wären beispielsweise die ausgezogenen Küchle, auch „Spiegelkrapfen“, „Fensterküchle“, „Knieküchle“ oder einfach nur „Ausgezogene“ genannt, die uns in der Fastnachtszeit bis heute in vielen Bäckereien und Konditoreien begegnen. Es sind flache, runde Hefeteigstücke, die früher von der Hausfrau mit der Hand übers bloße Knie gelegt und hauchdünn ausgezogen wurden. Beim Ausbacken bildete sich dadurch ein heller durchscheinender „Spiegel“ in der Mitte, der ringsherum von einem rund 3 cm hohen, braunen wulstigen Rand umgeben war. Das galt früher zu Recht als hohe Backkunst, die einer Hausfrau Ehre einbrachte. Damit die Hygiene nicht zu kurz kam, riet man in alten Kochbüchern schon einmal, sich zuvor eine weiße Schürze umzubinden oder ein reines Tuch übers Knie zu breiten.

In der Regel waren solche traditionsreichen Backwerke nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt. Vor allem in der Erntezeit und zu hohen Festtagen, wie etwa zur Kirchweih, wurden sie im ländlichen bayerischen Raum gerne auch als kraftspendende und sättigende Mahlzeit verzehrt.

Die verfeinerte städtische Abart dagegen, tauchte erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass solche Gebäcke wie der Wiener Faschingskrapfen beziehungsweise der Berliner aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt waren. Nein, es galt auch die Regel: je kleiner, desto feiner! Zu diesen besonders zarten, kleinen Backwerken gehören auch die Rheinischen Mutzenmandeln aus süßem Mürbteig, dafür mit reichlich Eiern und Zucker, Mandeln, Rum und Rosenwasser. Exklusive Zutaten, die seinerzeit auch ihren Preis hatten. Die mithilfe von zwei Teelöffeln mandelförmig ausgestochenen Gebäckstücke werden in siedendem Fett goldbraun ausgebacken. Anschließend werden sie in Puderzucker oder Streuzucker gewendet. Als Variation bekannt sind auch die etwas größeren Mutzen und die Munzer Puffeln, die der Form nach ausgerollten, verschobenen Vierecken ähneln.

Ähnlich exquisit sind die in Südbaden und im Schweizer Nachbarland mit Sauerrahm hergestellten mürben „Scherben“. Der dünn ausgerollte Teig wird zu verschobenen Vierecken ausgewellt, mit einer Gabel „gestupft“ und dann schwimmend in heißem Fett ausgebacken. Vor dem Servieren wird das stark aufgeblähte Backwerk mit Zucker und Zimt bestreut.
Als bodenständige Erwiderung auf solche feinen Schmalzgebäcke könnte man die haushälterische Nutzung des abtropfenden Küchlefettes verstehen. Von der alltäglichen Sparsamkeit früherer Generationen zeugt beispielsweise, was die bekannteste Köchin und Kochbuchautorin des Schwabenlandes, Friederike Luise Löffler (1744–1805), hinsichtlich der „Fasnachtsküchla“ notierte: „Dann leg sie einen Augenblick auf Brotschnitten zum Ablaufen.“ Die so getränkten Schwarzbrotscheiben wurden als Einlage für eine Suppe genutzt. Weniger haushälterisch hantierte dagegen Katharina Prato, die mit ihrem „Süddeutschen Kochbuch“ seit 1858 einen Besteller in immer neuen Auflagen gelandet hatte. Sie ließ ihre Schmalzgebäcke damals schon auf „Löschpapier“ abtropfen.

Von Hasenöhrl …

Eine besondere Bewandtnis hat es mit den sogenannten „Hasenöhrl“, die in Deutschland, der Schweiz und in Österreich zu den ganz alten Fastnachtsgebäcken zählen. In Schwaben bezeichnete man sie als „Teiglappen“ oder „Fastnachtsörl“, in Franken als „Hasenlöffel“ oder „geschnitten Hasen“ und im Schweizer Nachbarland hießen sie „Öhrli“ oder „Chüechli“. Aber was sind „Hasenöhrl“ eigentlich, sieht man einmal von ihrer Bedeutung als Teil eines Hasens ab?

Ein Blick in die Küchenliteratur ergibt, dass es sich kulinarisch gesehen um ein rautenförmiges oder dreieckiges Siedegebäck handelt, rund 8 cm lang und 3 cm breit, das einem Hasenlöffel nachgeformt ist und sich beim Ausbacken in heißem Fett ein wenig aufbläht. In der neueren Literatur geht man wohl zu Recht davon aus, dass es sich bei den „Hasenöhrl“ um ein sogenanntes Teig-Substitut handelt, verständlicher ausgedrückt, um einen Stellvertreter aus Teig. So zitierte man das Gebäck im „Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens“ (Bd. III, 1930/31) als ein „Substitut des gesundmachenden Frühlingshasen“ mit dem Hinweis, dass im 14. Jahrhundert den Kindern richtige Hasenohren als Einschlafmittel in die Wiege gelegt wurden. Das klingt reichlich verwirrend, bedeutet aber im Grunde genommen nur, dass man irgendwann statt des Originals – also des blutigen Hasenohrs – ein entsprechendes Abbild aus Teig schuf, vermutlich verbunden mit der Vorstellung, dass die göttliche Kraft und somit die gewünschte sedierende Wirkung auf den, der das Gebäck genießt, übergehe.

Tatsache ist, dass das Gebäck schon früh beliebt war. Unter dem Namen „haßenor“ erschien es in der „Küchenmeisterei“ („Kuchenmaistrey“), dem ersten gedruckten deutschen Kochbuch von 1485. Wenige Jahrzehnte später, 1534, waren die „hasenörl“ auch im Tegernseer Klosterkochbuch zu finden – als Fastnachtsgebäck. Es waren mit Quark hergestellte, längliche Teiglappen, die in Schmalz ausgebacken und zu Hasenragout mit Sauerkraut gegessen wurden. 1541 sprach man in der Schweiz von „Öhrliküchli“ oder „eier-örli“, die beim Ausbacken in heißem Fett aufgehen wie „Küssele“ (Kissen). Und 1719 nahm sogar der hochherrschaftliche Berufskoch Conrad Hagger die „Hasen-Aehrlein“ in seinem „Neuen Saltzburgischen Koch-Buch“ auf.

Für diejenigen, die erfahren möchten, wie denn nun diese Hasenöhrl gemacht wurden, dem sei nachfolgend eine Backanweisung für „aufgeloffene Haasen-Oehrlein“ genannt. Sie stammt aus dem „Neuen und nutzbahren Koch-Buch“ der Eleonora Lichtenstein, das zwischen 1699 und 1754 mindestens 14 Auflagen erfahren hat. Hier also das Rezept

„Thue schmaltz und wasser in eine pfanne, laß sieden, gieß es in schönes Mehl, und schlag 3. eyer daran, mach einen teig, und walge ihn dünn aus, formire haasen-oehrlein, und backs im schmaltze.“

Übrigens waren die „Hasenöhrl“ keineswegs immer süß. Noch Katharina Prato (1858) servierte das Schmalzgebäck entweder ungezuckert zu Salat oder gefüllt mit Konfitüre beziehungsweise gezuckert mit Früchten. Verloren gegangen ist das Backwerk in der heutigen Zeit nicht, auch wenn die dahinter stehenden mystisch-abergläubischen Vorstellungen schon lange vergessen sind. In Niederbayern ist das Fastnachtsgebäck nach wie vor beliebt und in Wien beispielsweise werden solche als Dreieck zusammengeschlagenen Teigtaschen vielfach mit Konfitüre gefüllt, in heißem Schmalz ausgebacken und dann leicht gezuckert serviert.

„Schneeballen“ …

Zu den historisch besonders früh auftauchenden Fettgebäcken gehören die sogenannten kugelförmigen „Schneeballen“, die unter dieser Bezeichnung bis heute vor allem in der mittelfränkischen Stadt Rothenburg ob der Tauber, wie überhaupt in ganz Franken, zu finden sind. Solche „Schneeballen“ sind nicht nur als Fastnachts-, sondern auch als Festgebäcke zu Hochzeiten oder zur Kirchweih beliebt und werden mittlerweile sogar das ganze Jahr über in den Bäckereien angeboten. Das Backwerk, das in der Küchenliteratur auch als „Storchennester“, „Spankiachl“ oder „Maulkörbe“ bezeichnet wird, gibt allein schon wegen seiner ungewöhnlichen Form Anlass zum Wundern. Grundlage ist in der Regel ein Mürbteig, der mit einem Teigrad in Streifen geschnitten wird. Diese Bänder schichtete man früher nestartig übereinander und steckte einen Kochlöffel oder etwas Ähnliches dazwischen, um das so entstandene Backwerk aus ineinander verschlungenen Teig­streifen locker zusammenzuhalten. In Katharina Pratos „Süddeutsche Küche“ (ab 1858) liest sich das so: „Schneeballen oder Maulkörbe. Man macht einen mürben Teig, läßt ihn ½ Stunde rasten, treibt ihn […] rund aus, radelt diese handgroßen Flecken in fingerbreiten Streifen […]. Dann hebt man jeden zweiten Streifen in die Höhe und steckt zwischen den oberen und unteren einen Kochlöffelstiel durch, mit dem man den Teig in das heiße Schmalz gibt und dabei auseinander schüttelt, so wie auch die Pfanne geschüttelt wird […]. Man bäckt nur einen allein in einer kleinen Pfanne […]. Dann bestreut man sie auf beiden Seiten stark mit Vanille-Zucker […]“.

Das Rezept ist aber noch viel älter. Das „Haus-Vatter“-Buch des Franz Philipp Florinus (Nürnberg, 1702) kannte die Schneeballen, deren geschnittene Teigstreifen man vor dem Ausbacken über „Steckelein“ gelegt hat, auch schon. Und im „Vollständigen Nürnbergischen Kochbuch“ von 1691 tat ganz einfach ein „langes spitziges Hölzlein“ seine Dienste. Rund 200 Jahre später ist im „Neue(n) Nürnberger Kochbuch“ von 1820 von einem „Löffelstiel“ die Rede, über den der geschnittene feine Schneeballenteig geschoben wurde.

Heutzutage hat sich die Herstellungspraxis vereinfacht. Das „Große Sacher Kochbuch“ von 1975 jedenfalls schreibt vor, die Teigstreifen jeweils „gut aufgelockert in eine Schneeballenform“ zu geben „und im tiefen Fettbad goldbraun“ zu backen. Bei der besagten Backform handelt es sich um eine Metallhohlkugelform mit Löchern, die man aufklappen kann, um das zu einem lockeren Ball geformte Gebäck hineinzulegen. Das durch die Löcher dringende Fett bäckt den Teig dann zu einem luftigen und goldbraunen Ball. In anderen Anweisungen ist zu erfahren, dass die Teiglinge auch ganz einfach mit der Hand zu Kugeln geformt und in heißem Fett gebacken werden können.

… und Schnürkrapfen

Es gibt noch mehr in Fett ausgebackene Fastnachts- und Festtagsgebäcke, die mit einer speziellen Eisenform hergestellt werden. Für die Bereitung der vor allem in Österreich beliebten „Schnür- oder Spagatkrapfen“ (Spagat = österr. und südd. für Bindfaden) benötigt man ein rundes, spiralförmiges oder auch herzförmig gebogenes Modeleisen. Das Backwerk selbst aus feinem Mürbteig wurde in einem Nürnberger Kochbuch von 1752 als „Brügel-Krapffen“ oder als „Spieß-Krapffeln“ bezeichnet. Zur Formgebung benötigte man eine konische Blechbackform. Der an das Blechröhrchen angenietete lange Stiel ist leicht abgewinkelt, um eine ausreichende Eintauchtiefe in das Schmalz zu erzielen und einen gewissen Abstand zum heißen Fett herzustellen. An die Form ist eine Schnur gebunden, die das Ablösen des Teigs von der Form verhindert. Über die zunächst im Schmalz erhitzte Blechform legte man ein Teigviereck, band es mit der Schnur fest und tauchte es in das heiße Backfett ein. Anschließend ließ sich das Gebäck innen mit Konfitüre füllen und außen mit Zimtzucker bestreuen. Das Herstellungsverfahren hat sich wenig geändert, wie uns Katharina Prato um 1850 mit ihrer Anweisung zum Backen von „Schnür- oder Spagatkrapfen“ beweist: Den Teig bereitete sie aus Mehl, Butter, Zucker, geriebenen Mandeln, Eigelb, Zimt, Nelken, Zitronensaft, Wein und Milch und schnitt ihn „zu fingerlangen, etwas schmäleren Vierecken […]. An den Stiel des Models bindet man eine weiche, weiße Schnur, taucht ihn in das Schmalz und, wenn er heiß geworden ist, legt man ein Stück Teig darauf, windet die Schnur nicht zu fest herum und hält das Ende derselben nebst dem Model, während der Krapfen im Schmalze bäckt und so lange er noch heiß ist … Man bestreut sie mit Zucker und Zimmt und bestreicht die innere Seite mit Marillensalse.“

Dieses Verfahren, einen Teig wie einen Rollschinken zu verschnüren, dürfte man sich vom Backen eines Baumkuchens abgeschaut haben. Der Baumkuchen, gelegentlich auch als „Prügelkrapfen“ bezeichnet, wurde schon viel früher um einen Holzspieß gewickelt, mit einer Schnur festgebunden und über offenem Feuer gebacken. Die österreichische Volkskundlerin Maria Kundegraber (1924-2014) bezeichnete den Baumkuchen denn auch als einen Ahnen der in der Steiermark bei festlichen Anlässen so beliebten Schnür- oder Spagatkrapfen.

Strauben, Strieble oder Striewli

Nach weiteren Schmalzgebäcken mit kuriosen Namen und eigentümlicher Form muss man nicht lange suchen. Zu nennen wären beispielsweise die regional unterschiedlich als Strauben, Strieble oder Striewli bezeichneten mürben, brüchigen Faschingsgebäcke, die vor allem in Süddeutschland und im Alpenraum in der Fastnachts- und Fastenzeit beliebt waren. Zur Herstellung dieses bereits im Mittelalter bekannten Backwerks benötigte man eine Straubenpfanne (Schmalzpfanne) und einen Straubentrichter, durch den man die fertige Teigmasse mit kreisenden Bewegungen bandartig in das heiße Schmalz einlaufen ließ. So entstand ein Gebäck mit einem Gewirr von Teigschlaufen. Jenes „klein blechen Trechterlein, dadurch man strauben becht“ beschrieb man schon 1506 als ein unerlässliches Backutensil. Gelegentlich nahm und nimmt man zum Eingießen des Teigs in das Schmalz statt eines Straubentrichters aber auch eine Schnabelkanne, ein Sieb oder einen Spritzsack. Der Ursprung des Wortes liegt vermutlich im alemannischen „straub“ für „kraus, rauh“ oder in „straube“ für „Schraube, gewundene Linie“. Diese letzte Deutung dürfte in Anbetracht der Spiralform des Gebäcks wohl die passende sein.

Ein wichtiges Datum für die Straubengeschichte ist das Jahr 1090. Damals fand sich für den süddeutschen Raum urkundlich der Hinweis auf „ein Nahrungsmittel, allgemein struua genannt“. Demzufolge wären die Strauben also über 900 Jahre alt, was als Alter für ein Gebäck wahrlich kein schlechter Rekord ist.

Als Festtagsgebäck waren die Strauben besonders in Klöstern sehr geschätzt. Nachgewiesenermaßen gaben die Stiftsdamen in Säckingen am Hochrhein in der Fastnachtszeit größere Summen aus, „um strüblin bache“ zu können, für die sie so kostspielige Zutaten wie „[…] mandel, [… ] zuckher, […] un sunst allerley gewircz“ benötigten. Vor allem der teure Rohrzucker schlug seinerzeit hoch zu Buche, sodass sich die einfache Bevölkerung das Backwerk nicht leisten konnte. Immerhin kostete ein Pfund Zucker im 15. Jahrhundert etwa so viel wie drei Spanferkel. Die genannten Fastnachtsküchle wurden nicht nur selbst verzehrt, sondern gerne auch verschenkt, etwa an die Geistlichkeit aus der Umgebung, an die Dienstleute eines Klosters, an die städtische Obrigkeit oder an die Narren selbst. Von der Säckinger Fürstäbtissin beispielsweise ist überliefert, dass sie immer wieder „denen faßnacht lüt ze zerung strüblin, breczlin, Küechlin“ spendierte. Im Jahr 1552 ist außerdem vermerkt, dass die Stiftsinsassen „uff die gemein stuben“, also im Rathaus, „für das Faßnacht Küechlin“ ausgegeben haben. Und 30 Jahre zuvor, 1522, findet man im Säckinger Schaffneibuch bezeugt, dass die Stiftsdamen „uf fasnacht für ds mall den herren vnd den schülern und den Buren“ Fettgebackenes, vorzugsweise „Strüble“ zukommen ließen „wis denn der Bruch ist“. Begehrt war das mürbe Backwerk aus Mehl, Eiern, Milch, Salz und Zucker über die Jahrhunderte hinweg auch als exklusives Festtagsgebäck, das auch in gehobenen weltlichen Kreisen zunehmend beliebter wurde. Das Gebäck schmeckte gut, war schnell herzustellen und erforderte keine besondere Vorratshaltung. So war es vor allem in Österreich und im Süden Deutschlands nicht nur als Fastnachtsgebäck beliebt, sondern auch als häusliches Kaffeegebäck. Vor allem im 19. Jahrhundert gibt es dazu reichlich Belege. So bezeichnete etwa der badische Heimatschriftsteller Heinrich Hansjakob (1837-1916) die Strauben als „das feinste Mehl- und Schmalzgebäck einer alemannischen Bauernküche“. Ähnlich äußerte sich der alemannische Mundartdichter und ehemalige Oberbürgermeister der Stadt Lahr Philipp Brucker (1924-2013), der dem Backwerk in einer seiner Erzählungen mit einem geradezu philosophischen Vergleich ein literarisches Denkmal setzte. Da heißt es:

„Manchmal schiint mr‘s Lewe wiä-n-e Striiwili. So iwerzwerch un kriz un quer, daß de dr Afang nit findsch un‘s End niäne siehsch.“

„Manchmal erscheint mir das Leben wie ein Striewele. Es verläuft immerzu kreuz und quer, sodass man den Anfang nicht findet und das Ende nicht zu sehen vermag“.

Fettgebäcke als Festtagsgerichte

Ohnehin sollte nicht vergessen werden, dass diese und andere Siedegebäcke nicht nur in süßer Form und ausschließlich zur Fastnacht gebacken wurden. So spielten auch die einfachen rustikalen Strauben aus Milch, Mehl und Eiern auf dem gedeckten Tisch einer bäuerlichen Familie bis in die 1930er-Jahre vielerorts eine große Rolle. Der Freitag war früher der Tag, an dem es traditionell Schmalzgebackenes gab, und so waren Strauben als Freitagsgericht bis nach Österreich und Südtirol verbreitet. Aber auch in ganz besonderen Situationen wurden Strauben gegessen: In Neuhausen ob Eck zum Beispiel bekam eine Wöchnerin als stärkende Speise nach der Geburt früher „Straubeze mit Zwetschgenmus“.
Und zum guten Schluss sei im Zusammenhang mit den Strauben ein historischer Hinweis für Heiratswillige gegeben: Wurde früher im Schwarzwald beim Antrittsbesuch eines Verehrers das „Tischtuch aufgelegt und Straubeze“ von den Schwiegereltern in spe gereicht, so hatte die Brautwerbung gute Aussichten auf Erfolg. Tischte der Hausherr hingegen nur Backsteinkäs oder Schnaps auf, war es wohl an der Zeit, sich anderweitig umzuschauen.

Zusammenfassung

Siedegebäcke, also in heißem Fett ausgebackene Backwerke, werden traditionell zur Fastnacht gebacken. Dies hängt mit der unmittelbar bevorstehenden vorösterlichen Fastenzeit und der früher üblichen strengen Fastendisziplin zusammen, die den Genuss von Schmalz, Fett, Milch, Butter, Käse und Eiern für mehrere Wochen verbot. Da empfahl es sich, vor dieser radikalen Einschränkung der Speisegewohnheiten die Vorräte aufzubrauchen und nochmals deftig zu essen − und das hieß: fett. Neben dem wohl bekanntesten Vertreter der Fettgebäcke, dem mit Konfitüre gefüllten Berliner, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte eine ganze Palette an landschaftlich typischen Backwerken in großer Formenvielfalt und mit teils kuriosen Namen. Zur Herstellung mancher Fastnachtsgebäcke aus eher flüssigem Teig benötigte man spezielle Formeisen. Angesichts dieser Fülle lässt sich sicherlich die volkskundliche Regel anwenden, die besagt, dass eine Erscheinung umso älter ist, je vielgestaltiger und formenreicher sie ist.

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