Süßer die Kekse nie schmecken – Beliebte Weihnachtsklassiker von A bis Z

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Irene Krauß, Volkskundlerin, ehem. Leiterin des Museums der Brotkultur, freiberufliche Publizistin und Autorin zahlreicher Werke zur Entstehung und Entwicklung von Backwaren und zur Nahrungsvolkskund

Weihnachten, das bedeutet auch in Deutschland backen, mehr, köstlicher und spezialisierter als zu vielen anderen Hochfesten des Jahres. Vanillekipferl sind immer dabei, ebenso wie die traditionellen Klassiker Lebkuchen, Makronen, Anisgebäcke und Zimtsterne. Neben Grundzutaten wie Butter, Zucker, Mandeln oder Nüssen sind es unter anderem die Aromen von Anis, Gewürznelken, Kardamom, Vanille oder Zimt, welche die weihnachtliche Bäckerei prägen und für den typischen Geschmack sorgen.

Häusliche Backkultur

Diese auf Gewürzen beruhende Geschmacksausrichtung der Weihnachtsbäckerei hängt mit der Übernahme kulinarischer Neuerungen aus der Zeit der Kreuzzüge zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert zusammen. Allerdings waren Gebäcke mit solchen Gewürzen, aber auch mit Mandeln und Rohrzucker, in der Vergangenheit unvergleichbar teurer als heute. Zumal ihre Herstellung ohne die heute selbstverständlich eingesetzten Küchengeräte besonders aufwendig war. Demzufolge pflegte man das häusliche Backen von Kleingebäcken, etwa zur Vorbereitung auf Weihnachten, in größerem Umfang erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nämlich – stilgeschichtlich als Zeit des Biedermeiers bezeichnet – herrschte in bürgerlichen Kreisen schlichter Wohlstand, verbunden mit Häuslichkeit. Mit dem Wunsch nach einem ausgeprägten Familienleben und häuslicher Behaglichkeit kam eine besondere Freude am Kochen und Backen auf, und es gehörte zum Stolz einer jeden gutbürgerlichen Hausfrau, entsprechende Kuchen und Backwerke herzustellen. Vor allem in der Weihnachtszeit bereitete man nun gerne Kleingebäcke aus gekneteten Teigen zu, ebenso aus Rührmassen, etwa für Spritzgebäck, oder aus einer Makronenmasse. Dieses Aufleben der häuslichen Backkultur wurde durch praktische Gegebenheiten begünstigt. Zunächst einmal war es erst in diesem Jahrhundert gelungen, aus der heimischen Runkelrübe billigen Zucker zu gewinnen, der in der Qualität dem teuren Rohrzucker in nichts nachstand. Durch diese industrielle Herstellung konnte die einstige Kolonialware Zucker gegen Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Lebensmittel für jedermann werden. Ähnlich war es mit dem Mehl, das nun besonders fein, gleichzeitig aber billig zu haben war. All das waren gewaltige Schritte vorwärts in der Geschichte der häuslichen Kuchenbäckerei, zumal Kochbücher mit entsprechenden Rezepten allmählich eine weite Verbreitung fanden und in höheren Auflagen erschienen. Backformen und Förmchen für Kleingebäcke waren ebenfalls weitaus günstiger zu erhalten. Nicht zu vergessen das Aufkommen eines neuen transportablen Koch- und Backherdes, der im Volksmund auch als „Kochmaschine“ oder „Sparherd“ bezeichnet wurde. Backofen, Kochstelle, Heißwasserversorgung und Heizung waren nun in einem Gerät vereinigt, was das Backen sehr vereinfachte. Denn es bedeutete, dass das Backrohr bei der Herdheizung automatisch mit geheizt wurde und jederzeit leicht zu benutzen war. Dieser „Sparherd“ war bald schon in vielen Küchen zu finden und ermöglichte ein weniger zeitraubendes und umständliches Backen.

Anisbrötle und „Springerle“

Was die in Deutschland besonders beliebten Weihnachtsgebäcke angeht, so wären beispielsweise Anisgebäcke in verschiedenen Formen und Rezeptvariationen zu nennen. Zu den vielleicht traditionellsten Weihnachtsgebäcken mit Anis gehören die sogenannten „Springerle“, die in Österreich, der Schweiz und dem Elsass, vor allem aber in Süddeutschland populär waren und bis heute sind. Außergewöhnlich ist, dass Springerle in Modeln ausgeformt werden und nur dann als richtig gelungen gelten, wenn die Oberfläche weiß bleibt und das Gebäck die sprichwörtlichen „Füßle“ hat. Damit ist gemeint, dass sich die getrocknete Oberseite leicht vom feuchteren Unterteil abheben muss. Dass schlechte Springerles-Füßle auch schon vor über 150 Jahren gehörig an der Ehre einer häuslichen Springerlesexpertin kratzen konnten, verrät uns ein anonymes Basler Hausfrauenrezept, das diesen Qualitätsmaßstab mit den strengen Worten umschrieb: „Kriegen sie (die Springerle, Anm. d. Verf.) keine Füßchen, so schimpfe die Buben aus oder die Stubenmagd: war schlecht gerührt oder Durchzug in der Stube. Springerli ohne Füßchen sind eine Ärgernuß.“
Fest steht, dass das mit Modeln geprägte anisgewürzte Eierteiggebäck seit dem 17. Jahrhundert bekannt war und seine Blütezeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte. Dabei kann die Bezeichnung für das weihnachtliche Gebäck unterschiedlich sein: Im Fränkischen nennt man es „Eierzucker“, in Bayern und Baden-Württemberg „Eiermarzipan“ oder „Springerle“, und in Straßburg war noch um die Jahrhundertwende die sprechende Bezeichnung „Schwabenbrötle“ ein Begriff. Ob die Springerle nun ihren Namen erhalten haben, weil der Teig auf dem Blech beinahe um die Hälfte ihrer Höhe „aufspringt“, oder nach dem früher so beliebten Motiv des springenden Pferdes – das vermag heute niemand mehr zu entscheiden. Zum Springen gebracht wurde der Teig jedenfalls mit einer Prise Hirschhornsalz als Triebmittel.

Von A wie Anis ….

Zu den typischen weihnachtlichen Gewürzen, die Gebäcken wie besagten Springerle, aber auch Anisgebäcken jeder Art sowie Printen oder Lebkuchen ihr ausgeprägtes weihnachtliches Aroma verleihen, gehört also Anis. Der charakteristisch aussehende Sternanis bietet mehr als nur sein einzigartiges, dekoratives Aussehen, denn die braunen Früchte enthalten in den jeweiligen Sternsegmenten je einen Samenkern. Die getrockneten Früchte werden zu einem rötlichbraunen Gewürzpulver gemahlen oder ganz verwendet. Nach Europa wurde das asiatische Gewürz im 16. Jahrhundert eingeführt. Erstaunlich, dass zwei völlig verschiedene Pflanzen − der europäische Anis als ein Doldengewächs und der exotische Sternanis als Baumfrucht − die gleichen ätherischen Öle enthalten und beide in der Essenskultur eine lange Tradition haben. Die Römer zum Beispiel mochten Anisküchlein als Abschluss ihrer ausschweifenden Mahlzeiten. Später konnte das Urteil über Anis und Anisspezialitäten bisweilen kaum unterschiedlicher ausfallen: Guillaume Taillevent, Chefkoch König Karls V. von Frankreich, fand im 14. Jahrhundert überall Verwendung für seinen Anis − besonders gerne in Süßspeisen und Gebäcken. Marie-Antoine Carême, immerhin einer der bedeutendsten französischen Köche des 19. Jahrhunderts, sah das etwas anders. Er empfand die Pflanze als eine „medizinische Arznei“ und schätzte ihren recht dominanten Geschmack offenbar weniger. Das lässt sich über die vielen Anis-Eier­schaumgebäcke nicht sagen. Die sind in Österreich, Süddeutschland und der Schweiz bis heute in der Weihnachtszeit Kult.

Makronen

Fein geriebene Mandeln, Zucker, Eiweiß sowie Oblaten als Backunterlage, so heißen die Grundzutaten der in Deutschland und Österreich seit über 300 Jahren bekannten Makronen, die hierzulande besonders zu Weihnachten hoch im Kurs stehen.
Das Ursprungsland der Makronen dürfte allerdings Italien, vielleicht sogar Venezien sein, da „venezianische Mandeln“ noch im 18. Jahrhundert als Grundlage guter Makronen genannt wurden. Das überrascht nicht, da Venedig immer schon zu den wichtigsten Umschlagplätzen für exotische Handelswaren aus dem Orient gehörte und die Venezianer bereits Jahrhunderte zuvor auf den Geschmack des Süßen gekommen waren. Zuckerbäcker, die mit exotischen Gewürzen und eben mit Mandeln und kandierten Früchten hantierten, gab es hier immerhin schon im 12. Jahrhundert; bedeutend früher als in anderen großen europäischen Städten.

Am Anfang stand die Mandel

Grundsätzlich aber kannten bereits die Römer Mandelmus, Mandelmilch sowie Mandelgebäcke. Auch im Orient war schon um 950 von einem Gemisch aus Mandeln und Zucker die Rede. In Deutschland waren Mandeln seit dem 13. Jahrhundert zu haben − wenn auch für teures Geld. So waren sie hochherrschaftlichen Kreisen vorbehalten und deren Vorliebe für Mandeln ist bekannt und erwiesen. Die in manchen Kochbüchern seit dem 17. Jahrhundert gebräuchliche Schreibweise „macaron“ verdeutlicht, dass sich das Backwerk von Italien weiter nach Frankreich verbreitet hatte, von wo aus es dann nach Deutschland gelangte. Die französische Bezeichnung „macaron“ leitet sich vom alt-italienischen „maccare = quetschen“ ab und bedeutet demnach „Gemenge“. Ein merkwürdiges Wort und zudem ein wenig schmeichelhafter Wortsinn für ein so delikates und damals teures Mandelgebäck! In der damaligen Zeit jedoch galt der Begriff keinesfalls als Ausdruck der Geringschätzung. Schließlich erklärt sich dieses Wort auch insofern, als bei der Herstellung der Makronen das fleißige Vermengen, also Rühren, oft eine halbe Stunde lang, eine wichtige Rolle spielt.
Der Nachweis einer gewerbemäßigen Makronenproduktion lässt sich bereits im 17. Jahrhundert erbringen. Von dem ersten Basler Zuckerbäcker, Walter Merian (1636-1718), weiß beispielsweise eine Chronik zu berichten, dass er der Erste gewesen sei, „der angefangen hat, Zuckerbrot, Lebküchlein, Macronen und dergleichen Sachen zu backhen“ – zur Weihnachtszeit! In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts müssen Makronen, wenigstens dem Namen nach, auch in Deutschland etwas Selbstverständliches gewesen sein, denn sie wurden namentlich von mehreren, seinerzeit bekannten Barockautoren erwähnt und von gehobenen Küchenchefs und Konditoren hergestellt. Wirklich feine Makronen konnte man jedoch erst herstellen, nachdem man – in Deutschland frühestens um 1700 – begonnen hatte, Eigelb und Eiweiß getrennt zu schlagen, also Eischnee zu bereiten. Vorher hat man die Zucker-Mandelmasse einfach mit dem Bindemittel Eiklar vermischt. Dass Eischnee auf die Qualität der Makronen eine wesentliche Auswirkung hat, wusste man später sehr wohl und so ist die unbekannte Verfasserin eines handgeschriebenen Kochbuchs von 1862 eine von vielen, die für die Zubereitung von Makronen riet: „rühre Schnee und Zucker zuvor recht pflaumig ab […]“.
Um noch einmal auf die Mandeln zurückzukommen: Auch für die Bereitung der sogenannten „Bethmännchen“, einem besonders beliebten Frankfurter Weihnachtsgebäck, benötigt man neben Mehl, Zucker und Rosenwasser geschälte und geriebene Mandeln. Erste Rezepte dazu gab es wohl in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Alle Zutaten zusammen werden zu einer breiigen Masse verrührt und dann zu kleinen Pyramiden geformt, die an den Seiten jeweils mit drei angefeuchteten, geschälten Mandelhälften beklebt werden. Nach einer Trocknungsphase werden die „Teiglinge“ dann bei etwas geöffneter Backofentür und geringer Hitze leicht gebacken, bis die Spitzen hellbraun sind. Alles in allem also ein feines Marzipankonfekt in charakteristischer Hütchenform und verziert mit Mandelhälften, das bis heute vor allem in Frankfurt und Umgebung ein besonders typisches weihnachtliches Backwerk ist.

Honig, Nuss & Mandelkern: Lebkuchen

Umfragen zufolge sind Lebkuchen das unangefochtene Lieblings-Weihnachtsgebäck in Deutschland. Lebkuchen werden in der einen oder anderen häuslichen Küche auch gerne selbst gemacht, aber weitaus häufiger werden sie gekauft. Weltweit bekannt sind die sogenannten Nürnberger Lebkuchen mit ihrem geringen Mehlanteil sowie einem hohen Anteil an Zucker, Eiern und Ölsamenfrüchten wie Mandeln, Haselnüssen oder Walnüssen. Bis heute ist es vor allem die mittelfränkische Metropole Nürnberg, die mit ihren hier produzierten Lebkuchen in der Hauptsaison – immerhin von Ende August bis Mitte Dezember – überall auf der Welt begeisterte Abnehmer findet! Wer meint, die traditionelle Ortsbezeichnung „Nürnberger Lebkuchen“ sei für so ziemlich jeden Lebkuchen gültig, der irrt. Bereits 1927 wurde offenbar vom Landgericht Berlin entschieden, dass der „Nürnberger Lebkuchen“ eine Herkunftsbezeichnung ist, die nur für solche Lebkuchen verwendet werden darf, die in einem genau abgegrenzten Gebiet in und um Nürnberg hergestellt werden. Seit 1996 sind „Nürnberger Lebkuchen“ nach europäischem Recht eine geschützte Herkunftsbezeichnung für Lebkuchen, die nur auf dem Gebiet der Stadt Nürnberg hergestellt werden dürfen.
Bereits im Mittelalter hatte sich Nürnberg zum überregionalen Zentrum gewerblicher Lebküchnerei entwickelt und hielt den Ruf der Pfefferküchlerstadt schlechthin inne. Aus gutem Grund! Die Zutaten, die den Lebkuchen so wertvoll machten, waren hier in Hülle und Fülle und in höchster Qualität vorhanden. So begünstigte der rund um die Stadt gelegene Reichswald, auch des „Kaisers und des Reiches Bienengarten“ genannt, die Gewinnung des Honigs. Die Imker – damals Zeidler genannt – vor den Toren der Stadt lieferten das „süße Gold“ für die Nürnberger Lebküchner in die Kaiserstadt und lebten nicht schlecht davon. Die Versorgung der Nürnberger Lebküchner mit exotischen Gewürzen gewährleistete der Gewürzmarkt, der ab 1441 zu einer festen Einrichtung geworden war. Zudem lag das mittelalterliche Nürnberg im Zentrum des damaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Ihre günstige Lage am Schnittpunkt der alten Salz- und Handelswege machte die Stadt bald zu einem der bedeutendsten Handels- und Verkehrsknotenpunkte Europas. So führte beispielsweise die Gewürzstraße von Venedig direkt über Nürnberg. Folglich ließen die tropischen Gewürze sowie der Rohrzucker nicht allzu lange auf sich warten und auch die fertige Lebkuchenware konnte rasch in alle Richtungen verkauft werden. Bereits 1395 wurden die ersten Lebküchner in Nürnberg urkundlich erwähnt. Allerdings genehmigte der Rat der Stadt erst im Jahre 1643 die Gründung einer eigenen Lebküchnerzunft, womit sich das Handwerk endlich von den Bäckern unabhängig machen konnte.
Nürnberger Lebkuchen gingen als Handelsware schon frühzeitig in alle Welt. Kein Wunder auch, dass die Gesandtschaft Nürnbergs bei offiziellen Anlässen neben den üblichen diplomatischen Geschenken zusätzlich das berühmte süße Wahrzeichen der Stadt, den Lebkuchen, vergab.

„Notpraline“ Dominostein

In der Advents- und Weihnachtszeit beliebt sind auch Dominosteine, die zwar kaum je in der häuslichen Backstube gebacken werden, aber auf so ziemlich jedem Teller mit weihnachtlichem Kleingebäck liegen. Weniger als 13 g ist ein Dominostein in der Regel schwer, überzogen mit einer dunklen Schokoladenglasur und doppelt gefüllt mit Lebkuchen, einer fruchtigen Schicht Sauerkirsch- oder Aprikosengelee sowie einer Lage Marzipan oder Persipan.
Im Vergleich zu den traditionellen Weihnachtsgebäck-Klassikern sind Dominosteine jung, gerade einmal 86 Jahre alt. Kreiert wurde der bissengroße Würfel erstmals im Jahr 1936 vom Dresdner Chocolatier Herbert Wendler (1912-1998). Dieser wollte mit seiner Schichtpraline aus braunem Lebkuchen, Fruchtgelee und Marzipan oder Persipan breitere Käuferschichten ansprechen, da diese Süßigkeit erschwinglicher war als die übrigen Produkte seiner eigenen kleinen Pralinenmanufaktur. Als mit Beginn der Kriegswirtschaft die Rohstoffe knapper wurden, kombinierte der damals 27-jährige Wendler nur noch eine Schicht braunen Lebkuchen und Sauerkirschgelee. Den mit Schokolade umhüllten Würfeln gab er den Namen „Dominosteine“ und lieferte sie an Dresdner Fachgeschäfte aus, wo sie als „Notpraline“ zunehmend populär wurden.
Im Krieg völlig ausgebombt, musste Wendler 1948 in Dresden wieder ganz von vorn anfangen. Für seine ersten Nachkriegs-Dominosteine verwendete er Roggenmehl und Sirup. Als die Zeiten allmählich besser wurden, konnte Herbert Wendler den Dominostein wieder doppelt und damit qualitativ hochwertiger füllen, indem er eine Lage Lebkuchen durch Marzipan ersetzte. Das im Originalrezept verwendete Sauerkirschgelee blieb erhalten. Mit einem Großauftrag der Handels­organisation der damaligen DDR begann Ende der 1950er-Jahre die Massenproduktion der beliebten Pralinenspezialität. Von 1963 an war die sächsische Spezialität auch ein gefragter Exportartikel, beispielsweise nach Westdeutschland und nach Österreich.
Heute sind Dominosteine in den „Leitsätzen für feine Backwaren“ genau definiert: Es sind etwa bissengroße Würfel aus einer oder mehreren Schichten braunen Lebkuchens und einer oder mehreren Lagen von Zubereitungen, zum Beispiel aus Fruchtmark, Marzipan oder Persipan, nicht aber aus Fondantmasse oder -krem; sie sind mit Schokoladenarten überzogen. „Feine Dominosteine“ müssen neben einer oder mehreren Schichten braunen Lebkuchens mindestens eine Lage aus Zubereitungen von Früchten oder Fruchterzeugnissen und mindestens eine Schicht aus Marzipan oder Persipan haben. Bei „feinsten Dominosteinen“ bestehen die Lagen ausschließlich aus Zubereitungen von Früchten oder Fruchterzeugnissen und Marzipan im Sinne der Leitsätze für Ölsamen und daraus hergestellte Massen und Zubereitungen.

Vanillekipferl

Vanillekipferl werden in deutschen und österreichischen Küchen in der Weihnachtszeit besonders gerne hergestellt, obschon die namengebende Vanille, die neben Butter, Mehl, Puderzucker und Mandeln zu den Bestandteilen des Vanillegebäcks gehört, natürlich nicht hier ihre Wurzeln hat. Vielmehr handelt es sich um eine Kletterpflanze, die zur Familie der Orchideengewächse gehört und ursprünglich aus Mexiko stammt, wo sie schon lange vor der spanischen Eroberung als Gewürz eingesetzt wurde. Die Spanier verboten aus wirtschaftlichen Erwägungen bei Todesstrafe, die Pflanze aus der Kolonie zu exportieren, sodass erste Stecklinge erst nach Mexikos Unabhängigkeit im Jahr 1810 in die europäischen botanischen Gärten gelangten. Zuvor wurde die gesamte mexikanische Ernte über Spanien nach Europa importiert, wo die Vanille nur in hochherrschaftlichen Kreisen eingesetzt wurde. Damit ließ sich viel Geld verdienen. 1602 beispielsweise nahm sie der Hofapotheker der englischen Königin Elisabeth I. offiziell in die Reihe der in der königlichen Küche erlaubten Gewürze auf. Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte man ein künstliches Bestäubungsverfahren der Blüten, aus denen dann die schmalen, 15 bis 30 cm langen Kapselfrüchte heranreifen, die umgangssprachlich als „Vanilleschoten“ bezeichnet werden. Damit begann in verschiedenen Anbaugebieten auf der Welt die kommerzielle Vanilleproduktion. Die mühsame Bestäubung, die arbeitsintensive Trocknung und Aufbereitung machen das feine Gewürz sogar bis heute noch vergleichsweise teuer. Häufig wird anstelle der echten Vanille das billigere Vanillin eingesetzt, der wichtigste Aromastoff der Vanille neben vielen anderen, der synthetisch hergestellt werden kann. Nie aber wird dieser den blumig feinen Duft der echten Vanille haben.
Man kann sich denken, dass entsprechende Backwerke aufgrund der teuren Vanille auch in gutbürgerlichen deutschen und österreichischen Haushalten erst spät, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, aufkamen. Die Kochbücher jener Zeit verzeichnen Vanillegebäcke in verschiedenen Formen, als einfache runde Gebäcke, als Stangen und eben auch in der unverkennbaren Kipferlform. Diese gebogene Form ist grundsätzlich schon seit Jahrhunderten bekannt, sogar in kultischen Bankettszenen aus dem Alten Orient taucht sie auf. Im europäischen Raum zählte ein halbmondförmiges Gebäck aus feinem Weizenmehl um 1000 im Gebäckkatalog aus dem Kloster St. Gallen / Schweiz zu den gesegneten Backwerken. In Österreich stellten die Bäcker in Wien bereits im 13. Jahrhundert die Kipferlform gewerblich her − von süßen Vanillekip­ferln konnte natürlich noch keine Rede sein. Gebogene Kipferlgebäcke, quasi Hörnchen, blieben in Wien populär und dürften regelmäßig gegessen worden sein, denn spätestens im 16. Jahrhundert kannte man dort eigene Kipferlbäcker. Aus all den oben geschilderten mitteleuropäischen Belegen geht allerdings nicht hervor, woraus die Hörnchen in frühen Zeiten bestanden.

…. bis Z wie Zimtsterne

Zimtsterne gehören ebenfalls zu den traditionellen Weihnachtsgebäcken, obwohl der Geschmacksträger Zimt natürlich nicht hier heimisch ist. Ceylon-Zimt ist die getrocknete Rinde des ceylonesischen Zimtbaumes und eines der ältesten und früher kostspieligsten Gewürze der Welt. Daneben gibt es mittlerweile noch den Cassia-Zimt, die Rinde des chinesischen Zimtbaumes. Heute ist er überall und einigermaßen günstig zu erhalten. Als Gewürz – vor allem für Süßspeisen, Gebäck und Glühwein – verwendet man die dünne Innenschicht der Rinde des Zimtbaums, die sich getrocknet röhrenartig zusammenrollt. Je dünner die Rinde, umso feiner ist das Aroma. Bereits in Griechenland war der aus Südostasien stammende Zimt beinahe unbezahlbar und das bisschen Zimt, das es dort gab, wurde dem Wein beigemischt, um diesen zu aromatisieren. Bei den Römern war Zimt in der Küche ebenfalls nur selten zu finden − er war einfach zu teuer und allenfalls Herrscher konnten ihn sich leisten. Später tauchte Zimt durch den mittelalterlichen Handel mit dem Orient wieder auf. Man übernahm nur allzu gerne orientalische Essgewohnheiten, etwa das starke Würzen von süßem Gebäck. Ingwer, Zucker und Zimt gelangten auf diese Weise in immer größeren Mengen nach Europa, blieben aber nach wie vor sehr extravagant. Demzufolge war auch das „Zimt-Konfekt“ ein fürstliches, ja geradezu ein königliches Backwerk, das für den Straßenverkauf lange Zeit zu teuer war. Als Kaiser Karl V. im April 1536 nach Rom kam, reichte ihm Kardinal Lorenzo Campeggio ein Essen, bei dem es zum zwölften Gang unter anderem Makrönchen, Anis- und Pistazienkonfekt, Orangeat sowie Zimtsterne gab. Das ist wunderbar eindeutig und ergibt zumindest für die Zimtsterne das bislang früheste Entstehungsdatum. 1783 findet man in der französischen „Encyclopédie par ordre de matières“ das Rezept des Zimtsterns mit der Abbildung des blechernen Ausstechers in Sternform. Überhaupt entdeckt man spätestens in den gutbürgerlichen Kochbüchern des 18. Jahrhunderts überall Rezepte für Zimtsterne oder –stangen, die heute typischerweise in der Vorweihnachtszeit hergestellt werden.

Zusammenfassung

Im Gegensatz zum üblichen „Klein- oder Teegebäck“ sind die Teige oder Massen für die Weihnachtsbäckerei deutlich stärker gewürzt, zum Beispiel mit exotischen Zutaten wie Vanille, Muskat, Kardamom, Anis, Nelken oder Zimt. Da diese früher schwer zu beschaffen und demzufolge kostspielig waren, kannte man entsprechende Gebäcke nur in hochherrschaftlichen Kreisen und auch nicht unbedingt zur Weihnachtszeit. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte sich in bürgerlichen Kreisen die häusliche Backkultur in Deutschland, vor allem zur Weihnachtszeit. Der billiger gewordene Zucker, eine große Rezeptvielfalt mit der sparsamen Nutzung von Gewürzen und das Aufkommen des Kochherds mit Backofen begünstigten die Tradition des weihnachtlichen Backens. Heute gehören Backwerke wie Lebkuchen, Ausstecher, Zimtsterne oder Vanillekipferl zu den typischen deutschen Weihnachtsgebäcken, obwohl die geschmacksgebenden Gewürze natürlich nicht hier ihren Ursprung haben.

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