Inspiration aus der Welt der Gewürze

Von Axel Klawuhn, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Bayerisches Brauerei- und Bäckereimuseum Kulmbach e. V.

Das Deutsche Gewürzmuseum in Kulmbach bietet ein Erlebnis für alle Sinne und vielfältige Eindrücke über Herkunft, Geschichte und Verwendung von Gewürzen.

Eine Prise Pfeffer, ein wenig Anis, ein Hauch Vanille oder eine Messerspitze Zimt bewirken beim Backen wahre Wunder und verwandeln jedes einfache Gebäck in eine köstliche Kreation. Raffiniert eingesetzte Gewürze sorgen für Abwechslung und machen Appetit auf mehr, denn der Geschmack bestimmt den Erfolg. Seit der Antike entwickelte sich in Europa ein regelrechtes Verlangen nach den exotischen Ingredienzen. Erst im 16. und 17. Jahrhundert verloren Gewürze, zwischenzeitlich in riesigen Mengen importiert, deutlich an Prestige und an materiellem Wert. Sie richtig anzuwenden gilt aber heute noch als hohe und erstrebenswerte Kunst, denn Gewürze berühren die Sinne und sind Zutat, Heilmittel und Duftstoff zugleich.

Wer sich für die Geschichte, die Herkunft und die vielfältigen Hintergründe von Gewürzen interessiert oder Inspiration für neue Kreationen sucht, wird im Deutschen Gewürzmuseum in Kulmbach fündig. Hier ist ein Museum für alle Sinne entstanden – das für Profis genauso spannend ist wie für Hobbybäcker und -köche oder Schülergruppen. Auf über 1.200 Quadratmetern Fläche bietet das Gewürzmuseum weit mehr als Vitrinen und Hinweistafeln. Es versetzt die Besucher in eine andere Welt: das vielfältige Reich der Gewürze, ihre kulturelle Bedeutung und nicht zuletzt ihre Verwendung damals wie heute.

Was sind eigentlich Gewürze?

Im sehr edel gestalteten Botanikum erfährt der Besucher alles über die Herkunft von Gewürzpflanzen, ihre Nutzung und geografische Einordnung. Pflanzen oder Pflanzenteile mit aromatischem Geschmack und/oder Geruch werden als „Gewürze“ definiert. Dabei handelt es sich gemäß den gleichnamigen Leitsätzen um Blüten, Früchte, Knospen, Samen, Rinden, Wurzeln, Wurzelstöcke, Zwiebeln oder Teile davon, meist in getrockneter Form. Das Wort „Gewürz“ leitet sich von der althochdeutschen „Wurz“, also dem Kraut oder der Pflanze ab. Betrachtet man Gewürze unter geografischen Aspekten, so handelt es sich zumeist um Würzpflanzen aus den tropischen Gebieten Asiens und Amerikas. Heimische Blättererzeugnisse wie Dill, Estragon, Majoran, Minze oder Petersilie werden dagegen als (Gewürz-)Kräuter angesehen.

Eine Ausnahme bildet der Safran: In Kleinasien und Griechenland beheimatet, wurde das teuerste Gewürz auch in europäischen Regionen angebaut und erlangte eine große Bedeutung. Der Safran-Krokus blüht im Herbst blauviolett. Den Würzstoff liefert die orangefarbige Narbe des Blütenkelchs. Durch das geringe Eigengewicht der Narben benötigt man für 1 Kilogramm Safran, je nach Sorte, rund 100.000 bis 200.000 Blüten – der große Arbeitsaufwand im Verhältnis zur Erntemenge bedingt den hohen Preis (1).

Der lange Weg der Gewürze: Abenteuer Fernhandel

Im Gewürzmuseum betritt der Besucher die Ausstellung durch einen orientalischen Basar, wo er eine Fülle von Gewürzen sehen, riechen und befühlen kann. Nach dieser Einstimmung macht er sich auf den Weg entlang der historischen Gewürzroute, um an verschiedensten Stationen zu erfahren, wie die kostbaren Substanzen einst über Land und Wasser in die Handelsstädte und von dort über die Alpen bis in die Verteilerzentren nach Deutschland kamen. Reiseberichte und Exponate aus dieser Zeit bringen den Besucher auf prächtige Handelsschiffe oder auf den alten Fernhandelsweg, heute bekannt als Seidenstraße. Ob zu Land oder übers weite Meer: Solche Handelsreisen waren langwierig, kostspielig und häufig auch sehr gefährlich – für die kostbare Fracht wie für Händler, Kaufleute und Investoren.

Wo der Pfeffer wächst: Von Indien und Indianern

All die Reisen und geografischen Informationen, die kirchliche Gesandte, Händler und Seefahrer dem Abendland übermittelten, summierten sich im 15. Jahrhundert, und die Europäer wagten immer kühnere Entdeckungsfahrten. Schließlich schafften es die Portugiesen an den Küsten Afrikas entlang in den Indischen Ozean und somit direkt zu den Bezugsquellen wie der Pfefferküste Indiens, der Zimtinsel Ceylon oder dem Ingwerhafen Cannanore. Auch anderen Regionen blieben die neuen geografischen Erkenntnisse nicht verborgen: So wurde 1492 der Nürnberger Martin Behaim, der als Kaufmann in Portugal lebte, bei einem Heimatbesuch um die Anfertigung eines Globus gebeten. Dieser zeigte die präkolumbianische Welt noch ohne Amerika und ist heute als Replik im Deutschen Gewürzmuseum in Kulmbach zu bestaunen. Im selben Jahr entdeckte Kolumbus zwar die „Neue Welt“ und „Indianer“, doch nicht den erhofften Schatz an Gold und Gewürzen.

Weltwirtschaft auf Basis des Geschmacks

Bereits im Mittelalter galten Gewürze als Weltwirtschaftsgüter: So konnte Venedig dank gut vernetzter Kaufleute von einer europäischen Hafenstadt zu einem internationalen Wirtschaftsimperium aufsteigen. Fremdländische Händler waren in der Lagunenstadt stark reglementiert, ein eigener „Pfefferbeamter“, der sensale, vermittelte als Makler die Geschäfte. Der Transport der Gewürze aus dem Süden über die Alpenpässe war mit weiteren großen Strapazen und Risiken verbunden – entsprechend teuer waren Gewürze auf den heimischen Märkten.

Ein süddeutsches Verteilerzentrum des Gewürzhandels war die Stadt Nürnberg, denn sie ist Ziel zweier großer Handelsstraßen: der Achse Venedig–Innsbruck–Nürnberg sowie Genua–Ravensburg–Nürnberg. Im Idealfall benötigte solch ein Gewürztransport von der Seestadt Venedig 14 Tage bis nach Nürnberg. Händler, Gewürzkrämer und Apotheker vertrieben die kostbaren Güter vor Ort. Aber den größten Teil aller importierten Gewürze verbrauchte das Nahrungsmittel herstellende Handwerk: Dazu gehörten vor allem die Bäckereien und die Metzgereien.

Gewürzhandel ermöglicht Nürnberger Lebkuchen

Gleichzeitig war der Gewürzhandel die Basis für die bekannten Nürnberger Oblatenlebkuchen. Typischerweise gehörten Zimt, Anis, Ingwer, Kardamom, Nelken, Piment, Koriander und Muskatblüten sowie Honig aus dem Nürnberger Umland in den Teig. Aufgrund dieser Vielfalt war es zu Beginn der Lebkuchenherstellung nur möglich, das Gebäck in den Städten zu backen, die über ein sehr enges Handelsnetz verfügten. Pfefferkuchen, Printen oder Honigkuchen: Diese Dauerbackwaren haben in vielen Regionen Deutschlands eine lange Tradition. Auch im Ausland zeugen die Begriffe „Ingwerbrot“ (gingerbread) und „Gewürzbrot“ (pain d’éspices) von der großen Rolle der Gewürze.

Kontrollierte Qualität dank Gewürzschauern

Aufgrund der hohen Gewinnspannen wurden die wichtigsten Personen im internationalen Gewürzhandel und -vertrieb auch neiderfüllt „Pfeffersäcke“ genannt (2).  Vor dem lokalen Verkauf mussten die Gewürze allerdings erst garbelliert , also von Verunreinigungen gesäubert werden. Mitunter kam es zu unlauteren Geschäften, um den Profit zu steigern. Daher erließen die mittelalterlichen Städte Strafverordnungen und richteten Prüfungsorgane ein: Die vereidigten Gewürzschauer überprüften die Qualität, und wurde diese für gut befunden, erhielten die Kaufleute ein Siegel für ihre Ware.

Geflügelte Schlangen: Herkunft von Zimt und Kassia

Gerade die Importeure hatten ein berechtigtes Interesse daran, das Ursprungsgebiet der teuren Gewürze geheim zu halten – schließlich ging es um ihren Profit. So verbreiteten sich im Altertum zahlreiche wundersame wie abschreckende Gerüchte. Der römische Gelehrte Plinius der Ältere († 79 n.Chr.) berichtete, der Zimt werde „aus den Nestern der Vögel und besonders des Phönix […] durch bleierne Pfeile herabgeholt; ebenso [wachse] die Kassia in der Nähe von Sümpfen, wo sie eine widerliche Art von Fledermäusen und geflügelte Schlangen mit Krallen verteidige “ (3).

Neben Ceylon-Zimt wird heute auch die Kassia, bekannt als China-Zimt, verwendet. Die Pflanzengattung Cinnamomum umfasst rund 270 Arten und wächst wild sowohl in Indien, und Brasilien als auch in Australien. Die Zimt- und Kassiastangen, die heute in den Handel kommen, sind die getrockneten und eingerollten inneren Partien der Zweigrinde des Zimtbaumes aus der Familie der Lorbeergewächse. Feinheit und Farbe der Rinde sowie der Gehalt an ätherischem Öl bestimmen die Qualität. Hauptbestandteil des Öls ist Zimtaldehyd, das diesem Rindengewürz das spezielle süße, holzige Aroma verleiht. Mit ihrem warmen, aromatischen Geschmack und Geruch finden die beiden Rindengewürze auch ihre Anwendung als Aphrodisiakum und werden häufig für Süß- und Backwaren, von Apfelkuchen bis Zimtsternen, verwendet (4).

Vanille: Königin der Gewürze

Einen festen Platz in der Backwaren- und Kosmetikindustrie hat Vanille. Den weichen, süßlich-würzigen Geschmack sowie den hocharomatischen parfümierten Duft verdankt dieses Fruchtgewürz seinem Inhaltsstoff Vanillin – der seit Endes des 19. Jahrhunderts synthetisch herstellbar ist. Die Schoten der Orchideenpflanze zählen dagegen auch heute noch wegen ihres arbeitsintensiven Anbaus und des geringen Ertrages – etwa 1 Kilogramm frisch gepflückte Früchte ergibt 250 Gramm versandfertige Vanille – zu den kostspieligen Gewürzen.

Ursprünglich war Vanille in der Neuen Welt beheimatet und in den Regenwäldern Mexikos und Mittelamerikas zu Hause. Als feinste Qualität wird die Bourbon-Vanille der Insel Réunion eingestuft: Dort soll ein Sklave im Jahre 1841 herausgefunden haben, wie man die Vanilleblüten künstlich befruchtet.

Begehrte Geschmacksimpressionen

Gewürze waren nicht nur früher begehrte Güter, sondern wecken auch heute noch Leidenschaften. Nur so lässt sich auch erklären, dass exotische Gewürze wie Tonkabohne, Tasmanischer Pfeffer oder Zimtblüten den Gaumen der Deutschen erobern. Auch alte Gewürze wie Langer Pfeffer erleben derzeit eine wahre Renaissance. Die Verbraucher suchen nach neuen Geschmacksimpressionen, möchten aber auch über die Herkunft, Verarbeitung und Geschichte der Würzpflanzen konkrete Informationen erhalten.

Qualitätskontrolle, fortschrittliche Technologien, Aroma schonende Verfahren: Der Besucher erhält im Gewürzmuseum nicht nur einen Einblick in die mittelalterliche Gewürzwelt, sondern auch in die verarbeitende Industrie von heute. Filmbeiträge geben Einblicke in die Arbeit von Gewürzmühlen vergangener Tage bis hin zur modernen Verarbeitung. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist die Verwendung von Gewürzen im Handwerk, in der Lebensmittelindustrie und in der Kochkunst.

Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Auch im geheimnisvollen Teil zu „Gewürzen in Mythos und Magie“ mag der eine oder andere nützliche Informationen finden – sei es zur Verwendung als Liebeszauber oder in der Schönheitspflege. Schon lange bevor Gewürze als Speisezutat eine Rolle spielten, waren sie als Heilmittel im Einsatz. Jede Art von Krankheit wurde mit den pflanzlichen Würzstoffen behandelt, von Augenentzündungen bis hin zu Zahnschmerzen. Ob antike Mediziner, arabische Ärzte oder benediktinische Ordensbrüder, sie alle schworen auf die heilende und vorbeugende Kraft der Gewürze. Erst mit dem Aufkommen chemischer Präparate verloren sie ihre führende Rolle in der Medizin, blieben allerdings in der Volksheilkunde präsent; inzwischen belegen wissenschaftliche Analysen ihre Wirksamkeit. Einige Gewürze sind als arzneiliche Heilmittel anerkannt: Dazu gehören Pfeffer, Ceylon-Zimt, Muskatnuss, Gewürznelke, Kurkuma, Ingwer, Galgant und Kardamom (5).  Aufgrund ihrer Heilkräfte, ihres intensiven Aromas und der hohen Wertschätzung wurden Gewürzen auch schon früh magische Fähigkeiten zugesprochen: Sie dienten geräuchert als Botschaft für die Götter, sie wurden als Aphrodisiakum eingesetzt oder begleiteten tapfere Ritter in die Schlacht.

Gewürze heute: Vom Luxus- zum Alltagsgut

Derzeit sind Gewürze im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Star- und Fernsehköche wie Alfons Schuhbeck und Ingo Holland propagieren ihre Vielseitigkeit, und in keiner allseits beliebten Kochshow wird an Gewürzen gespart. Zur Renaissance der Gewürze tragen auch die vielen Auslandsreisen bei – Gewürze haben wieder einen beachtlichen Stellenwert in unserer Gesellschaft eingenommen.

Anschaulich, informativ und spannend wird das Trendthema Gewürze in Kulmbach umgesetzt. Die Konzeption des Deutschen Gewürzmuseums beruht auf modernen museumspädagogischen Ansätzen und dem Einsatz neuer Technologien. So führen beispielsweise Monitore und QR-Codes die Besucher auf Internetseiten, die einzelne Themen vertiefen oder auch leckere Rezepte zum Nachkochen anbieten.

Knapp eineinhalb Jahre dauerte es vom Beginn des Umbaus bis zur Museumseröffnung, insgesamt entstand ein Kostenvolumen von rund vier Millionen Euro. Grundstock der umfangreichen Sammlung sind Exponate, die die Adalbert-Raps-Stiftung gemeinsam mit dem Kulmbacher Gewürzwerk Raps GmbH & Co. KG zusammengetragen hat, sowie Ausstellungsstücke aus der Privatsammlung Sauermann.

Einen Ausflug wert: Der Kulmbacher Mönchshof

Neben der Welt der Gewürze haben auch das Bayerische Brauerei- und das Bäckereimuseum im Kulmbacher Mönchshof ein Zuhause gefunden. Das ehemalige Brauereigelände bietet ideale Voraussetzungen für Tagesausflüge: Alle drei Museen ermöglichen gemeinsame Gruppenerlebnisse unter dem Motto „Bier, Brot & Gewürze“. Gerade für Metzger, Köche und Gastronomen ist genug geboten, um sich einen Tag lang in Oberfranken inspirieren zu lassen – gemütlich einkehren lässt es sich zwischendurch im Mönchshof-Bräuhaus oder bei schönem Wetter im Biergarten.
Das Gewürzmuseum ist von Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Für Gruppen sind auch besondere Öffnungszeiten möglich. Der Eintrittspreis beträgt regulär 6 Euro, für Kinder unter sechs Jahren ist der Eintritt frei. Für Jugendliche, Senioren und Gruppen ab zehn Personen gibt es Ermäßigungen. Mit einem Kombi-Ticket können alle drei Museen zum Preis von 12 Euro besucht werden. Weitere Informationen unter: www.kulmbacher-moenchshof.de oder unter: www.facebook.com/MuseenImMoenchshof/.

Quellen:

1) Mahn, Manuela: Gewürze. Geschichte – Handel – Küche, Stuttgart 2001, S. 11, 30.
2) Mahn, Gewürze 2001, S. 88.
3) Plinius Secundus: Naturalis Historia, hg. v. Roderich König, München 1977, hier 12, 85ff.
4) Mahn, Gewürze 2001, S. 33–34.
5) Mahn, Gewürze 2001, S. 14.

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