Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Franca Werhahn, Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht, insbesondere tätig in der Beratung von Unternehmen bei kennzeichnungsrechtlichen Fragen und Fragen der Verkehrsfähigkeit sowie im Krisenmanagement.
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht mit allen seinen Facetten wie Produktentwicklung, Kennzeichnung und Health Claims, Risk Assessment und Krisenmanagement.
Topf Secret
neue Rechtsprechung – und nun?
Ab dem Zeitpunkt, als die Kampagne „Topf Secret“ von der Verbraucherschutzorganisation „Frag den Staat“ auf deren Webseite online ging, stand die Frage im Raum, ob das Prozedere der Kampagne überhaupt zulässig ist ob der Pranger-Wirkung zulasten der Lebensmittelunternehmer aufgrund der Veröffentlichung der Berichte im Internet. Die Rechtsprechung hat sich zwischenzeitlich weitgehend festgelegt, dass die Veröffentlichung trotz der besonderen Umstände rechtens ist. Wie ist also künftig mit derartigen Anfragen umzugehen?
Problemaufriss
Nach dem Sinn und Zweck der Kampagne sollen Verbraucher Kontrollberichte über die Webseite anfragen und diese nach Erhalt auf der Seite hochladen. Diese Veröffentlichung der Kontrollberichte im Internet führt unweigerlich zu einer Pranger-Wirkung zulasten der Lebensmittelunternehmer, da ein großes Publikum über vermeintliche „Missstände“ in einem Unternehmen informiert wird. Nebenbei bemerkt, sind monierte „Missstände“ nicht selten gar keine; so dürfte eine Bäckerei nicht zu jedwedem Zeitpunkt der Produktion ohne Teigreste auf Förderbändern und dem Fußboden auskommen.
Waren die angerufenen Gerichte anfangs noch ambivalent und bestand noch Hoffnung, dass derartige Veröffentlichungen als unzulässig untersagt würden, geht die Rechtsprechung nunmehr dahin, das Prozedere als zulässig anzuerkennen, und dies trotz der misslichen Außenwirkung für Unternehmen.
Die Gerichte
Das Bundesverwaltungsgericht (29.8.2019, BVerwG 7 C 29.17) entschied wegweisend, dass eine Veröffentlichung der Berichte gerechtfertigt wäre, und zwar aufgrund der Tatsache, die betroffenen Unternehmen hätten die negativen Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst.
Der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg (13.12.2019, 10 S 1891/19) meinte, dass es bei einer Veröffentlichung der Informationen im Internet an staatlicher Autorität fehle und somit auch an der entsprechenden Pranger-Wirkung. Zudem entspreche eine Veröffentlichung der Berichte im Internet ohnehin dem Sinn und Zweck des VIG, sodass von einer Rechtsmissbräuchlichkeit gar nicht ausgegangen werden könne. In die gleiche Kerbe schlug nun auch der Bayerische VGH (22.4.2020, M 32 SN 19.1851).
Es sei dahingestellt, ob der Sichtweise der Gerichte aus gesellschaftskritischen Gründen gefolgt werden kann, insbesondere im Hinblick auf die Nebenwirkungen unserer immer gläserner und transparenter werdenden Gesellschaft. Laufen wir doch zunehmend Gefahr, in allen Lebensbereichen einem regelrechten Kontrollwahn ausgesetzt zu sein.
Einen letzten kleinen Hoffnungsschimmer stellte (noch) die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts dar (14.10.2019, 5 Bs 149/19). Die Richter ziehen hier in Betracht, dass durch die Veröffentlichung der Berichte im Internet unzulässig in die Grundrechte der betroffenen Unternehmen eingegriffen werde. Jedoch sollte diese, aktuell für sich alleinstehende Entscheidung nicht zum Anlass genommen werden, ein weiteres gerichtliches Verfahren gegen die Veröffentlichung der Berichte zu bemühen, zumindest nicht in Bayern und Baden-Württemberg.
Somit stellt sich nun die Frage, wie angesichts der Rechtsprechung mit „Topf Secret“-Anfragen umzugehen ist; hier empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
To-Do-Liste
- Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde beantragen (beachte: nur mit Anwalt)
- Überprüfung der Kontrollberichte und der beanstandeten Umstände
- Erstellen Sie ein eigenes Statement, in welchem Sie zu den Beanstandungen Stellung nehmen; dabei Fehler offen eingestehen, Verbesserungen aufzeigen – dies kurz & prägnant
- Bedenke: Empathie und Transparenz schaffen Vertrauen! Ggf. dem Verbraucher anbieten, dieser möge sich den Betrieb ansehen, um sich von der Sauberkeit und Ihrem Hygienekonzept selbst zu überzeugen
- Übersendung des Statements an den Verbraucher mit der höflichen Bitte, er möge den Antrag bei der Behörde zurückziehen
Unsere Erfahrung zeigt, dass Verbraucher damit meist bereits zufrieden sind und kein Interesse an den „offiziellen“ Kontrollberichten zeigen. Die Behörde würde dann selbst nicht mehr aktiv, da Verfahren erledigt.
Sollte dieses Statement hingegen keine Wirkung zeigen, bleibt die Möglichkeit, die Behörde zu bitten, eine entsprechende Stellungnahme gemeinsam mit den Kontrollberichten an den Verbraucher zu übersenden. Dieses kann mitunter zur Besänftigung des Verbrauchers führen, und er sieht von einer Weiterreichung an „Topf Secret“ ab.
Und, daran denken: #askyourlawyer.