Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Franca Werhahn, Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht, insbesondere tätig in der Beratung von Unternehmen bei kennzeichnungsrechtlichen Fragen und Fragen der Verkehrsfähigkeit sowie im Krisenmanagement
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht mit allen seinen Facetten wie Produktentwicklung, Kennzeichnung und Health Claims, Risk Assessment und Krisenmanagement.
Allergene
Neue ALS/ALTS-Beurteilungswerte
Allergene sind ein stets aktuelles Thema und beschäftigen die meisten Lebensmittelunternehmen fortlaufend, gerade Produzenten von Backwaren.
Neue Beurteilungswerte von ALS(1)/ALTS(2)
Die ALS/ALTS-AG „Lebensmittelallergene“ veröffentlichte im Februar neue Beurteilungswerte zu Allergenen. Bei diesen „Beurteilungswerten“ handelt es sich um Werte, die Anlass geben sollen zur Prüfung, ob der Eintrag des allergenen Bestandteils rezepturmäßig über eine Zutat erfolgte und somit die Kennzeichnungsbestimmungen der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) 1169/2011 nicht eingehalten wären.
Diese Beurteilungswerte dienen Behörden als Orientierung, wenn in Lebensmitteln Stoffe nachgewiesen werden, die Allergien auslösen können. Festzuhalten ist dabei, dass die Beurteilungswerte weder eine Entscheidungshilfe sind bezüglich der Frage, ob eine Zutat oder lediglich eine Kontamination vorliegt, noch handelt es sich um Grenzwerte für die Kennzeichnung allergener Zutaten oder des cross contacts (mit der Notwendigkeit von Spurenhinweisen). Last but not least; die Beurteilungswerte stellen keine Grundlage dar für die Beurteilung, ob das Lebensmittel für Allergiker gesundheitsschädlich ist. Auch dies ist stets im Einzelfall zu ermitteln und bedarf einer Risikobewertung.
Vital 3.0
Grundlage der Aktualisierung der Beurteilungswerte ist das 2019 veröffentlichte Konzept „VITAL 3.0“ (Voluntary Incidental Trace Allergen Labeling). Unter dem Begriff „VITAL 3.0“ veröffentlichte das Expertengremium „VI-TAL Scientific Expert Panel“ eine aktualisierte Empfehlung für Referenzdosen respektive kritische Allergenmengen. Mit den Werten soll der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand möglichst genau beziehungsweise realistisch dargestellt werden, ab welchen Allergenmengen bei von Allergien betroffenen Verbrauchern nach Verzehr mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit mit allergischen Reaktionen zu rechnen wäre.
Im Vergleich zur bisherigen Empfehlung „VITAL 2.0“ aus 2011 ergeben sich für einige der Stoffe neue oder aktualisierte Werte: für Ei und Milch etwa wurden die Referenzdosen erhöht, für Senf, Soja, Weizen und Sesam die Werte gesenkt.
Allergenkennzeichnung oder Spurenhinweis
Das Vorangestellte steht im Kontext der Vorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung (EU) 1169/2011, die in Art. 9 Abs. 1 lit. c vorschreibt, dass die Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen, besonders gekennzeichnet werden müssen, mittels Fettdruck, Unterstreichung oder farblicher Hervorhebung.
Diese Kennzeichnung ist zu unterscheiden von den Spurenhinweisen, welche aus Gründen der Produkthaftung auf den Etiketten aufgebracht werden. Diese beziehen sich auf Stoffe, mit denen das Lebensmittel unbeabsichtigt kontaminiert werden kann, etwa weil diese im gleichen Produktionsraum auf der gleichen Produktionslinie verarbeitet werden. Der Spurenhinweis fungiert insofern als Exkulpationsmöglichkeit des Lebensmittelunternehmens.
Praxishinweis
Für Sie als Lebensmittelunternehmer gilt nach wie vor und einmal mehr: Allergen-Management ist das A und O risikobasierten Qualitätsmanagements. Implementieren Sie ausreichend Maßnahmen, um insbesondere eine unerwünschte Cross-Kontamination zu vermeiden und reevaluieren Sie dieses System in regelmäßigen Abständen. Im Folgenden sind – nicht abschließend – die gängigen Maßnahmen rund um das Allergen-Management aufgeführt:
- Rezeptur und Fließschema zum Herstellungsprozess des Lebensmittels; relevant für die Frage, ob Befund auf eine Zutat oder eine Spur zurückzuführen ist
- Vorhalten von Spezifikationen der verwendeten Zutaten
- Quarantäne von Lebensmitteln mit allergenem Potenzial
- festgelegte und umfassende Reinigung der Produktionslinie nach Verarbeitung von Lebensmitteln mit allergenen Zutaten
- ständige Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeiter im Allergenmanagement
(1) ALS=Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
(2) ALTS=Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen