Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Bärbel Ines Hintermeier, LL.M., Rechtsanwältin im Lebensmittelrecht mit dem Schwerpunkt Werbung & Kennzeichnung, Verkehrsfähigkeit und Produktentwicklung sowie Risk Assessment & Krisenmanagement
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht mit allen seinen Facetten wie Produktentwicklung, Kennzeichnung und Health Claims, Risk Assessment und Krisenmanagement.
DON in Getreideflocken
Drohen vermehrt Veröffentlichungen am „Hygienepranger“?
Deoxynivalenol (DON) kommt als Mykotoxin vor allem bei Getreidearten wie Weizen, Roggen, Hafer und auch Dinkel vor. Während der Produktion von Getreide müssen daher zahlreiche Maßnahmen ergriffen werden, um die Konzentration von DON im Erntegut zu verringern. Eine Weiterverarbeitung kann nur bedingt zur Reduzierung beitragen.
Für DON sieht die VO (EG) 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln verschiedene Grenzwerte für diverse Lebensmittelkategorien vor. Die Einhaltung der Höchstgehalte für DON bei Getreideerzeugnissen im Blick zu behalten ist nicht nur bzgl. einer Rücknahme von Lebensmitteln vom Markt (Art. 19 BasisVO 178/2002), sondern auch vor dem Hintergrund der von allen Ländern erneut aufgenommenen Veröffentlichungspraxis nach § 40 (1a) LFGB (oft als „Hygienepranger“ gescholten) wesentlich und nachhaltig geboten.
Problemaufriss
Schauen wir die für Getreideprodukte einschlägigen Kategorien an, so fällt auf, dass die Grenzwerte für DON einem abgestuften Konzept folgen:
• 1250 µg/kg DON für unverarbeitetes Getreide außer Hartweizen, Hafer und Mais (Ziffer 2.4.1.)
• 750 µg/kg DON für zum unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmtes Getreide (Ziffer 2.4.4)
• 500 µg/kg DON für u.a. Brot, feine Backwaren, Frühstückscerealien (Ziffer 2.4.6.).
Hierbei ist insbesondere die Einordnung von Getreideflocken in der Praxis umstritten. So ordnen Untersuchungsämter Getreideflocken häufig den Frühstückscerealien zu und sehen diese nicht bloß als „zum unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmtes Getreide“. Diese Einordnung ist mit dem Abstufungskonzept jedoch nicht vereinbar und kann nachhaltige Probleme für Lebensmittelunternehmer der Branche bergen.
Abstufungskonzept
Dabei lässt sich der Grund für die Abstufung eindeutig aus den Konkretisierungen in Fußnote (18) zu Ziffer 2.4.1 als auch aus Erwägungsgrund (2) der VO (EG) 1126/2007 zur Änderung der VO (EG) 1881/2006 entnehmen. In Erwägungsgrund (2) heißt es:
„Die Höchstgehalte sind so niedrig festzulegen, wie dies durch eine gute Landwirtschafts- und Herstellungspraxis vernünftigerweise erreichbar ist, unter Berücksichtigung des mit dem Lebensmittelverzehr verbundenen Risikos.“
Folglich spielen bei der Festlegung zunächst drei Punkte eine wesentliche Rolle: die nach dem Stand der Technik möglichen Reduzierungsmaßnahmen beim Anbau bis zur Ernte (gute Landwirtschaftspraxis – GAP), sowie solche während der Herstellung (gute Herstellungspraxis – GMP). Nicht zuletzt sollte bei der Festlegung auch das mit dem Lebensmittelverzehr verbundene Risiko für Verbraucher berücksichtigt werden. Es fällt zudem auf: je höher die Intensität der Ver-/Bearbeitung des Getreides, desto niedriger liegt der festgelegte Grenzwert. So gilt der Grenzwert von 1250 µg/kg für unverarbeitetes Getreide, während für zum unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmtes Getreide, das eine erste Verarbeitung erfahren hat, ein Höchstgehalt von 750 µg/kg zugelassen ist. Für Endprodukte, die zudem noch weitere Zutaten als das verarbeitete Getreideprodukt enthalten, wird sodann der niedrigste Höchstgehalt von 500 µg/kg festgelegt.
Dass dieses abgestufte Konzept auf der Intensität der Be-/Verarbeitung des Getreides beruht, wird durch die Anmerkungen in Fußnote (18) zur Ziffer 2.4.1 hervorgehoben, wo es heißt:
„Der Höchstgehalt gilt für unverarbeitetes Getreide, das zur ersten Verarbeitungsstufe in Verkehr gebracht wird. ‚Erste Verarbeitungsstufe‘ bedeutet jegliche physikalische oder thermische Behandlung des Korns außer Trocknen. Verfahren zur Reinigung, einschließlich mechanischer Oberflächenbearbeitung, Sortierung und Trocknung gelten nicht als ‚erste Verarbeitungsstufe‘, sofern das ganze Korn nach der Reinigung und Sortierung intakt bleibt. Unter mechanischer Oberflächenbearbeitung ist die Reinigung von Getreide durch kräftiges Bürsten und/oder Scheuern zu verstehen. […]“
Üblicherweise wird Getreide zur Herstellung von Getreideflocken gereinigt, sortiert und verarbeitet. Dabei fällt die erste Reinigung durch kräftiges Bürsten/Scheuern nach vorbenannter Definition noch nicht unter die „erste Verarbeitungsstufe“, vielmehr sind erst das Walzen und Dämpfen der Getreideflocken hiervon erfasst. Diese Bearbeitung kann bspw. gleichgesetzt werden mit der Bearbeitung von Reis, der entspelzt, geschält und poliert ebenfalls zum unmittelbaren menschlichen Verzehr vorbereitet wird und insoweit dem Getreide zugeordnet bleibt.
Systematik, Gesamtzusammenhang & Wortlaut
Den unter der Kategorie Ziffer 2.4.6 gelisteten Lebensmitteln ist zudem gemeinsam, dass alle aufgeführten Produkte wie Brot, Feine Backwaren, Kekse, etc. jeweils aus mehreren Zutaten bestehen. Auf der anderen Seite sind unter Ziffer 2.4.4 auch Getreideprodukte gelistet, die bereits weitere Verarbeitung erfahren haben, wie Getreidemehl oder Kleie. Dabei werden diese Produkte üblicherweise in den unter Ziffer 2.4.6 gelisteten Produkten als Zutat verwendet. In diesem Zusammenhang weist auch der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft e.V. (VGMS) richtigerweise darauf hin, dass allfällige Mykotoxingehalte durch weitere Zutaten, wie Wasser, Eier, Zucker oder Früchte, verdünnt werden. Der zur Kategorie 2.4.6 gehörige Höchstgehalt kann sich daher nur auf das gesamte Erzeugnis beziehen und nicht auf einzelne Zutaten, die unter 2.4.4 geregelt werden.
Dies wiederum erklärt auch die Abstufung der Höchstgehalte. Unter Berücksichtigung von GAP, GMP und Verbraucherschutz hat der Verordnungsgeber für Getreidezutaten und für Endprodukte jeweils eigene Grenzwerte etabliert.
Bärbel Ines Hintermeier, LL.M.