Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Uta Verbeek, Geschäftsführerin, meyer.science GmbH & Nicole Schmid, Consultant, meyer.science GmbH
Titandioxid – Verbot des Lebensmittelzusatzstoffs E 171
Am 18. Januar 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission die Verordnung (EU) 2022/63 zur Änderung der Anhänge II und III der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 hinsichtlich der Aufhebung der Zulassung von Titandioxid (E 171) in Lebensmitteln. Mit dieser Änderungsverordnung wurde das auf europäischer Ebene geforderte Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln in eine verbindliche Rechtsform umgesetzt.
Die VO (EU) 2022/63 enthält Übergangsfristen. Bis zum 7. August 2022 dürfen Lebensmittel, die gemäß den vor dem 7. Februar 2022 geltenden Vorschriften hergestellt wurden, weiterhin in Verkehr gebracht werden; nach diesem Zeitpunkt dürfen sie bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum auf dem Markt bleiben.
Anzumerken ist, dass Titandioxid vorläufig in der Unionsliste der VO 1333/2008 für die Verwendung als Farbstoff in Arzneimitteln gelistet bleibt. Dies aufgrund der wissenschaftlichen Bewertung der Europäischen Arzneimittelagentur, wonach eine Verwendung von Titandioxid in Arzneimitteln aufechterhalten werden müsse, bis geeignete Alternativen zur Verfügung stehen, welche die Substanz ersetzen können, und um die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von betreffenden Arzneimitteln zu gewährleisten.
Hintergrund der Maßnahmen
Hintergrund der schnellen und strikten Maßnahme zum Verbot von Titandioxid in Lebensmitteln sind die Bewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus den Jahren 2016, 2019 und 2021, in denen sich die EFSA mehrfach mit der Sicherheit des Lebensmittelzusatzstoffs beschäftigte.
In ihrer aktualisierten Bewertung vom 06. Mai 2021 bezüglich der Sicherheit von Titandioxid (EFSA Journal 2021;19(5):6585) kommt die EFSA zu dem Schluss, dass unter Berücksichtigung aller verfügbaren wissenschaftlichen Studien und Daten Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen werden kann.
Ein entscheidender Faktor für diese Schlussfolgerung der EFSA ist, dass Bedenken hinsichtlich der Genotoxizität von Titandioxid nicht ausgeschlossen werden können. Gemäß EFSA ist nach oraler Aufnahme die Resorption von Titandioxidpartikeln zwar gering, jedoch können sich diese im Körper ansammeln. Die Festlegung einer zulässigen täglichen Aufnahmemenge für Titandioxid ist daher laut EFSA nicht möglich. Die EFSA merkte zudem an, dass mehr Forschung erforderlich sei, um die vorhandenen Datenlücken zu schließen.
Diskussionen auf EU-Ebene
Bereits wenige Tage nach Veröffentlichung der EFSA-Stellungnahme leitete die EU-Kommission erste Diskussionen mit den Mitgliedstaaten ein, um bezüglich eines möglichen Verbots der Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff innerhalb der EU zu beraten. Die Mitgliedstaaten teilten die Auffassung der EU-Kommission, dass Titandioxid nicht mehr in Lebensmitteln verwendet werden sollte.
Im Anschluss an weitere Diskussionen mit den Mitgliedstaaten veröffentlichte die EU-Kommission im September 2021 einen Verordnungsentwurf bzgl. der Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 hinsichtlich des Verbots des Lebensmittelzusatzstoffs Titandioxid.
Noch im gleichen Monat wurde der Verordnungsentwurf dem Ständigen Ausschuss der EU-Kommission (SCoPAFF; Section Novel Food and Toxicological Safety of the Food Chain) zur Abstimmung vorgelegt und von diesem angenommen. Die betreffende VO 2022/63 trat am 07. Februar 2022 in Kraft.
Aufgrund des Verbots von Titandioxid und den damit einhergehenden Änderungen der VO 1333/2008 sollten betroffene Lebensmittelunternehmer schnellstmöglich geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Verkehrsfähigkeit betroffener Produkte aufrechtzuerhalten.