Das Deutsche Lebensmittelbuch – Teil II

Von Dr. Birgit Rehlender, Vorsitzende der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission

2012 stand die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission mehr im Fokus als je zuvor. Es waren weniger positive Schlagzeilen, die sie ins Rampenlicht rückten, sondern eher kritische Aspekte wie mangelnde Transparenz, fehlende Aktualität, ungenügende Kommunikation und vor allem eine zu geringe Berücksichtigung der Verbraucherinteressen. Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) öffentlich ausgeschriebene Studie zeigte schließlich den Weg aus der Krise. Was hat diese Evaluierung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission gebracht? Teil II unserer Reihe beschreibt, wie viel sich inzwischen zum Positiven geändert hat.

Bei allem Optimismus und voller Überzeugung über die Bedeutung der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches konnte sich wohl niemand vorstellen, welche Entwicklungen die Evaluierungsstudie in Gang setzen würde. Erst einmal weckte die Entscheidung für das sogenannte Handlungsszenario 4 vor allem bei den Kommissionsmitgliedern Neugier. Als diese dann aber aktiv in die Umsetzung der Reform eingebunden wurden, wuchs die Zuversicht. Es wurde deutlich, dass es das Bundesministerium wirklich ernst meinte. Bundesminister Christian Schmidt machte die Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) zur Chefsache: „Die Studie hat mir nochmals die Bedeutung der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission und ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit eindringlich vor Augen geführt… Mit der Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission möchte ich auch dafür sorgen, dass die Mitarbeit an den Leitsätzen mehr denn je eine fruchtbare, zielführende und erstrebenswerte Aufgabe sein wird“, schrieb er am 12.03.2015 an die DLMBK-Mitglieder.

Die Eckpunkte der  Reform

Ausgehend vom Evaluierungsbericht, den fachlichen Stellungnahmen, den zahlreichen Gesprächen und Diskussionen – vor allem aber auch durch die Einbeziehung bisheriger Kommissionsmitglieder aller vier vertretenen Kreise – zeichneten sich folgende Eckpunkte einer Reform ab:
•    Aktualität der Leitsätze erhöhen,
•    Abstimmungsverfahren effizienter machen,
•    Berufungsverfahren transparent gestalten,
•    Verbraucherbelangen mehr Geltung verschaffen,
•    Organisation effizienter gestalten und das Sekretariat stärken,
•    Transparenz erhöhen, Kommunikation und Verbraucherinformation verbessern.

Diese Eckpunkte galt es, mit Leben zu erfüllen. Nicht etwa, dass die Reform bereits vollständig abgeschlossen wäre, doch können wir heute mit Stolz auf die schon erreichten Resultate schauen: Zum 1. Juli 2016 war die neue 32-köpfige Kommission berufen. Gut und wichtig, dass die Parität aus jeweils acht Vertretern der Verbraucherschaft, Überwachung, Wirtschaft und Wissenschaft erhalten blieb. Das schafft Akzeptanz. Pünktlich zum selben Termin trat eine neue Geschäftsordnung in Kraft. Erstmals hat sie eine Präambel, in der zwei Punkte besonderes Augenmerk verdienen. Erstens: In ihr werden die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches (DLMB) als wirksames Instrument zum Schutz aller am Markt Beteiligten vor Irreführung und Täuschung genannt. Wörtlich heißt es: „Dies ist gewährleistet, wenn ein Lebensmittel in Zusammensetzung, Aufmachung und Kennzeichnung dem redlichen Hersteller- oder Handelsbrauch und der berechtigten Verbrauchererwartung entspricht.“ Zweitens: Neu ist außerdem, dass der Kommission ausdrücklich zugestanden wird, auch prägend tätig zu werden. Sie darf es dann, wenn sich noch keine allgemein gefestigte Verkehrsauffassung gebildet oder sich die Verkehrsauffassung in eine unerwünschte Richtung entwickelt hat.

7 + 1 Fachausschüsse

Es gibt unverändert sieben obligatorische Fachausschüsse. Ein weiterer Fachausschuss kann neuerdings hinzukommen, wenn es darum geht, allgemeine, grundsätzliche oder fachausschussübergreifende Themen zu bearbeiten. Dann schließt sich – im Zuge der nach der jüngsten Reform überarbeiteten Geschäftsordnung der DLMBK (§ 3 (6)) – nämlich das achtköpfige Präsidium zu einem temporären Fachausschuss zusammen. So aktuell auch schon geschehen: In Kürze wird der temporäre Fachausschuss für „vegetarische und vegane Lebensmittel“ zu seiner fünften Sitzung zusammenkommen und über die im Rahmen des Beteiligungsverfahrens eingegangenen Stellungnahmen zum Entwurf eines eigenen Leitsatzes für bestimmte vegetarische und vegane Lebensmittel beraten.

Sachstandsberichte informieren auch über prägende Rolle der Leitsätze

Der Hintergrund einer jeden Leitsatzüberarbeitung ist nicht geheim, sondern wird über einen Sachstandsbericht auf der neu geschaffenen Homepage der DLMBK www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de veröffentlicht. Der temporäre Fachausschuss für vegetarische und vegane Lebensmittel führt in seinem Sachstandsbericht Folgendes aus: „Die besondere Schwierigkeit bei der inhaltlichen Fassung des Leitsatzentwurfes ergab sich vor allem dadurch, dass eine gefestigte Verkehrsauffassung für die verschiedenen Produktgruppen nicht zu erkennen war. Die Fachausschussmitglieder sehen daher die Notwendigkeit, prägend in die Produktaufmachung einzugreifen.“ Um künftig für alle am Markt Beteiligten mehr Klarheit zu erzielen, könnte sich die prägende Gestaltung im Leitsatz insbesondere auf die vegetarischen und veganen Produkte auswirken, die sich an Erzeugnisse für Fleisch und Fleischerzeugnisse anlehnen. Auch darauf weist der Sachstandsbericht hin: „Für sie könnten die prägenden Beschreibungen bedeuten, dass Kennzeichnung und Aufmachung im Einzelfall anzupassen sind – selbst dort, wo ein Erzeugnis schon seit geraumer Zeit ohne Beanstandung im Handel ist.“ Doch noch ist hier nichts beschlossen.

Anders bei den Leitsätzen für Speiseeis, in denen der prägende Charakter bereits Bestandteil der Leitsatzneufassung ist. Die Erklärung des Fachausschusses lautete: „Um die Produktkennzeichnungen und -aufmachungen, insbesondere von abgepacktem Speiseeis jeglicher Produktionsform, wieder für Verbraucher, Anbieter und Überwachung vergleichbar zu machen, kommt die Deutsche Lebensmittelmittelbuch-Kommission nicht umhin, die ihr eingeräumte Möglichkeit zu nutzen, prägend in den Markt einzugreifen.“

Durch Aktualität Akzeptanz verbessern

Jeder Leitsatz soll künftig einmal pro Berufungsperiode der Kommission, also alle fünf Jahre, auf seine Aktualität geprüft werden. Das ist auch nötig, denn es gibt leider Leitsätze, die offenkundig veraltet sind, weil sich in den Fertigungstechnologien, in der Produktvielfalt und auch in der Verbrauchererwartung etliches geändert hat. Das trifft beispielsweise auf die Leitsätze für Brot und Kleingebäck zu, die seit zwölf Jahren nicht angerührt wurden. Ähnliches trifft auf die Leitsätze für Feine Backwaren zu.  Die Leitsätze für Teigwaren wurden letztmalig 1999 angepasst, was ihre Aktualität ebenfalls infrage stellt. Doch das wird nun anders: Der zuständige Fachausschuss hat seine Beratungen aufgenommen und wird die Leitsätze je nach Priorität abarbeiten. Auf Aktualität prüfen kann selbstverständlich auch bedeuten, dass alles so bleibt, weil Änderungen nicht erkennbar sind. Hilfreich ist bei der Überarbeitung inzwischen auch, dass es keiner eingehenden Anträge mit konkreten Änderungsempfehlungen mehr bedarf. Der zuständige Fachausschuss kann nach eingehender Prüfung – insbesondere auch durch die Hinzuziehung Sachkundiger – eigene Änderungsvorschläge umsetzen. Das alles wird hoffentlich dazu beitragen, dass die Leitsätze künftig nicht mehr von den Gerichten wegen fehlender Aktualität außer Acht gelassen werden.

Mehr Arbeit nur dank Unterstützung möglich

Alle 32 Kommissionsmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Dank ihres Engagements ist es möglich, an den erforderlichen Sitzungen teilzunehmen, die Leitsatzentwürfe vorzubereiten und eigene Recherchen durchzuführen. Hinzu kommt lohnende Öffentlichkeitsarbeit, denn Vorträge und Berichte in den Medien tragen schließlich dazu bei, die Arbeit der DLMBK bekannter zu machen und für den Nutzwert der Leitsätze zu werben. Doch ohne die wertvolle und hilfreiche Unterstützung des Sekretariats der DLMBK und des BMEL könnten wir die Aufgaben nicht bewältigen. Den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort spreche ich im Namen der gesamten Kommission aus. Gerade in den letzten Monaten hat man uns kommunikationsseitig blendend unterstützt und auch in diesem Punkt die Reform vorangebracht. Überzeugen Sie sich selbst mit einem Blick auf die Homepage, ich garantiere Ihnen interessante Details über das Deutsche Lebensmittelbuch und die DLMBK: www.deutsche-lebensmittelbuch-kommission.de.

Die Strapazen haben sich gelohnt

Nicht jede Reform ist zwingend notwendig und sinnvoll. Ganz anders die Reform der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission. Was interessierte und motivierte Kommissionsmitglieder nicht in gewünschte Bahnen zu bringen vermochten, gelang durch die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durchgeführte Evaluierungsstudie: Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) wurde nicht nur erhalten, sondern deren Struktur und Prozessabläufe wurden deutlich verbessert. Die Ziele, mehr Effizienz, mehr Akzeptanz, mehr Transparenz und mehr Kommunikation, klangen hochgesteckt, doch die Voraussetzungen, diese auch zu erreichen, wurden seitens des Bundesministeriums geschaffen.

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