Hier schreiben meyer.rechtsanwälte und meyer.science darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Tobias Lizius, Consultant, meyer.science GmbH
Uta Verbeek, Geschäftsführerin, meyer.science GmbH
Kontaminanten – Recast der Verordnung 1881/2006
Die bisherige Verordnung 1881/2006 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln wird durch die neue, übersichtliche Verordnung 2023/915 ersetzt. Eine Umstrukturierung der Artikel sowie eine erhebliche Reduktion der Fußnoten, durch Übernahme dieser direkt in den neuen Anhang im Querformat, führt zu einer deutlich besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit der Kontaminanten-Verordnung. Neue Höchstgehalte werden mit der VO 2023/915 nicht eingeführt. Durch die Ergänzung von Definitionen und Anmerkungen ergeben sich dennoch vereinzelt kleinere rechtliche Neuerungen.
Hintergründe
Durch insgesamt 46 Änderungsverordnungen wurde der Anhang der VO 1881/2006 im Laufe der Jahre stetig erweitert. Dies hatte zur Folge, dass aufgrund des mangelnden Platzes in den Tabellen des Anhangs die Anzahl der Fußnoten auf 83 Stück anwuchs, was die Lesbarkeit der Verordnung zunehmend verschlechterte. Die EU-Kommission nahm dies zum Anlass, die gesamte Verordnung neu aufzusetzen und in einem übersichtlichen Format zu gestalten. Gemäß Erwägungsgrund 12 der VO 2023/915 soll dadurch in erster Linie die Verständlichkeit der Vorschriften verbessert werden. Um dies auch zukünftig beizubehalten, soll die Aufnahme von Fußnoten eher vermieden werden.
Nach jahrelangen Diskussionen im Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed (Sektion: Novel Food and Toxicological Safety) und den entsprechenden Arbeitsgruppen der EU-Kommission ist diese Arbeit nun abgeschlossen. Die Verordnung 2023/915 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 wurde am 5. Mai 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Vor dem Hintergrund, dass damit formell keine neuen Höchstgehalte implementiert wurden, sind keine Übergangsfristen vorgesehen und sie gilt bereits seit dem 25. Mai 2023.
Änderungen im Gesetzestext
Neben den umfangreichen Anpassungen des Anhangs betreffen die Änderungen der VO 2023/915 im Vergleich zur VO 1881/2006 auch den eigentlichen Gesetzestext. Mit Artikel 1 wurden beispielsweise erstmalig Begriffsbestimmungen eingeführt. Das bisher in Artikel 3 definierte Verbot der Verwendung, Vermischung und Entgiftung teilt sich nun auf insgesamt 3 separate Artikel auf (Art. 2, 4 und 5). Eine Bezugnahme auf bestimmte Probenahme-Verordnungen, wie zum Beispiel VO 401/2006 (bisher in Art. 8), entfällt hingegen ersatzlos. Um dieser Änderung der Strukturierung Rechnung zu tragen, etablierte die EU-Kommission einen zusätzlichen Anhang (II) mit einer Entsprechungstabelle, die darstellt, welche Inhalte aus den Artikeln der VO 1881/2006 sich an welcher Stelle in VO 2023/915 wiederfinden.
Änderungen im Anhang
Änderungen im Anhang erfolgten in erster Linie dergestalt, dass durch das Querformat der Großteil der bisherigen Fußnoten in eine breitere Übersichtstabelle mit der neu eingeführten Spalte „Anmerkungen“ übernommen wurde. Somit stehen diese Anmerkungen nun auf gleicher Höhe des Höchstgehaltes, auf den sie sich beziehen, und Lesern wird umständliches Scrollen ans Ende der Verordnung zu den Fußnoten erspart. Auch die Definitionen von als Summenparameter definierten Kontaminanten (zum Beispiel Aflatoxine oder Pyrrolizidinalkaloide) sind in der Spalte „Anmerkungen“ aufgeführt.
Daneben erfolgte eine Anpassung der Reihenfolge der im Anhang aufgeführten Kontaminanten, sodass nun die Gruppe der Mykotoxine gefolgt von den Pflanzentoxinen am Anfang des Anhangs stehen. Dies vermutlich auch im Hinblick auf die derzeit in Diskussion befindlichen Verordnungsentwürfe zur Revision der Verordnungen 401/2006 und 2015/705, die sich auf eine repräsentative Probenahme eben dieser inhomogen verteilten Mykotoxine und Pflanzentoxine beziehen.
Mit der Gruppe „In der Verarbeitung entstehende Kontaminanten“ wird unter Punkt 5 des Anhangs I eine neue Gruppierung eingeführt. Diese umfasst derzeit polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), 3-Monochlorpropandiol (3-MCPD), dessen Fettsäureester sowie Glycidylfettsäureester. Zukünftig ist unter diesem Punkt auch mit einer Aufnahme der derzeit noch auf EU-Ebene diskutierten Höchstgehalte für Acrylamid, als klassische Prozesskontaminante, zu rechnen.
Für eine übersichtliche Struktur wurde zudem die Reihenfolge der für einzelne Kontaminanten aufgeführten Lebensmittelkategorien angepasst, sodass Höchstgehalte für ähnliche Lebensmittelkategorien in direkter Abfolge gelistet sind. Dies war durch die zeitlich versetzte Implementierung einzelner Höchstgehalte für ähnliche Lebensmittelkategorien in VO 1881/2006 häufig nicht gegeben.
Formell werden mit VO 2023/915 ausschließlich die bereits gemäß VO 1881/2006 implementierten spezifischen Höchstgehalte übernommen (s. Egr. 12). Einzelne neu implementierte Definitionen in der Spalte „Anmerkungen“ führen allerdings dazu, dass bestimmte Lebensmittelkategorien anders definiert werden und somit ggf. auf ein breiteres Produktspektrum anwendbar sind. So gelten beispielsweise Höchstgehalte für Aflatoxine in Getreide und Getreideerzeugnissen (Sektion 1.1.12) auch direkt für jegliche Produkte mit einem Anteil von mindestens 80 % an Getreideerzeugnissen. Es ist daher empfehlenswert, sich die neue Version der Kontaminanten-VO im Detail durchzusehen und einen Abgleich mit den unternehmensinternen abgeleiteten Vorgaben vorzunehmen.