Foto: © GELITA
Dr. Johanna Schmidgall, Head of Technical Product Management Food, GELITA AG, Eberbach
Das perfekte Genusserlebnis entsteht, wenn ein Produkt all unsere Sinne anspricht. Geht es um ansprechende Form- und Texturgebung, so ist Gelatine ein echtes Multitalent: Durch ihre gelbildenden, emulgierenden, stabilisierenden, binde- und schaumbildenden Eigenschaften lassen sich mit Gelatine die unterschiedlichsten Texturen realisieren. Für Bäcker und Konditoren eignet sich insbesondere die Blattgelatine, um süßen Kreationen wie Kuchen und Torten den letzten Schliff zu verleihen.
Gelatine in der Welt der Backwaren
Ob Käsesahnetorte mit leckerer Füllung, Donuts mit glänzender Glasur, oder eine Schwarzwälder Kirschtorte mit üppiger Sahneschicht – all diese beliebten Back-Bestseller haben eines gemeinsam: Ohne Gelatine wäre ihre Herstellung sehr viel schwieriger. Sowohl in privaten Küchen zu Hause als auch in Großküchen, Bäckereien und Konditoreien gehört Gelatine zur Grundausstattung. Und das aus gutem Grund: Mit ihren besonderen funktionellen Eigenschaften verleiht sie vielen Gerichten und Backwaren die gewünschte Textur, Form und Stabilität. Aber was ist Gelatine überhaupt und wie gehe ich damit um?
Gelatine Know-how: Hätten Sie es gewusst?
Gelatine besteht neben Wasser und Mineralsalzen aus bis zu 90 Prozent Protein. Hergestellt wird Gelatine durch enzymatische Hydrolyse nativen Kollagens. Dabei entsteht zunächst eine wässrige Gelatinelösung, die dann weiter aufkonzentriert, sterilisiert, getrocknet und gemahlen wird. Strengste Qualitäts- und Hygienestandards sowie regelmäßige Kontrollen garantieren dabei stets eine konstant hohe Qualität der Gelatine.
Blattgelatine wird in einem speziellen Prozess hergestellt, der den Blättern ihre charakteristische Form und das typische Rautenmuster verleiht. Dabei wird die noch flüssige Gelatine in hochkonzentrierter Lösung auf eine gekühlte Edelstahltrommel gegeben. So entsteht durch Erstarren ein Gel-Film, der, der Länge nach geschnitten, auf ein fortlaufendes Fördernetz gegeben und schließlich durch einen Trockentunnel gefahren wird. Zuletzt wird die Gelatine auf die gewünschte Länge zugeschnitten und verpackt.
Technisch gesehen ist Gelatine ein proteinbasiertes Hydrokolloid, das meist als Geliermittel verwendet wird. Im Gegensatz zu anderen Hydrokolloiden ist Gelatine jedoch sehr multifunktional einsetzbar. Das bedeutet, dass Gelatine, je nach Produkt oder Anwendung, unterschiedliche Funktionen übernehmen kann – wie zum Beispiel gelieren, schäumen, emulgieren oder stabilisieren.
Die passende Textur für jede Anwendung
Guter Geschmack allein macht noch kein perfektes Produkt. Von fest, über cremig zu fluffig – die Bedeutung der Textur von Lebensmitteln wird immer häufiger erkannt. Besonders wenn Schlagsahne zu einer Kuchen- oder Tortenfüllung hinzugegeben werden soll, muss sie zuerst stabilisiert werden – sonst kann es passieren, dass die Füllung kollabiert und der Kuchen zu weich oder feucht wird. Die Sahnefüllung sollte deshalb eine bestimmte Textur haben: cremig, jedoch mit einer gewissen Festigkeit, damit die Torte in Form bleibt. Viele Hobbybäcker, aber auch Konditoren stehen regelmäßig vor dieser Herausforderung. Die Lösung? Stabilisierung durch Gelatine.
Siegfried Brenneis ist Bäcker- und Konditormeister und seit 2010 Kapitän der Deutschen Bäcker-Nationalmannschaft. Für die Kreation seiner preisgekrönten Backwaren verwendet er am liebsten Blattgelatine – auch für eines seiner beliebtesten Tortenrezepte: „Am liebsten nutze ich Blattgelatine für Schwarzwälder Kirschtorte, denn hier trifft der Geschmack von Kirschen, dunklem Schokoladen-Teig und mit Kirschwasser abgeschmeckter Sahne aufeinander. Das finde ich interessant. Die Gelatine verwende ich, damit die Sahne steif bleibt“, so Brenneis. Aber nicht nur kompliziertere Tortenrezepte, sondern auch Frucht-Sahne-Schnitten gelingen mithilfe von Gelatine problemlos. Dabei gibt es jedoch eine Besonderheit zu beachten, weiß der Konditormeister: „Manche frischen Früchte wie Ananas oder Kiwi vertragen sich nicht mit Gelatine. Die eiweißspaltenden Enzyme – sogenannte Proteasen – in diesen Früchten schädigen die Struktur der Gelatine und verhindern, dass diese geliert. Erhitzen oder Blanchieren der Früchte zerstört diese Enzyme, sodass sie der Gelatine nichts mehr anhaben können. Wer es sich einfacher machen möchte, nimmt Dosenfrüchte. Weitere Früchte mit proteinspaltenden Enzymen sind beispielsweise Feige, Mango und Papaya.“
Blattgelatine: einfaches Handling
Wie auch Siegfried Brenneis, nutzen die meisten Konditoren heute Gelatine in Blattform. Diese hat einen großen Vorteil gegenüber Gelatine-Pulver: die Handhabung. Denn die Dosierung des Pulvers kann zu einer Herausforderung werden. Hier muss genau berechnet werden, wie viel Pulver zu welcher Flüssigkeitsmenge hinzugegeben werden darf. Dieses Problem besteht bei Blattgelatine nicht, denn die einzelnen Blätter sind standardisiert. Das bedeutet: Jedes Blatt bietet exakt die gleiche Gelierkraft. So sind weder aufwendiges Abwiegen noch Abmessen notwendig. Alles, was man tun muss, ist die benötigte Menge Blätter abzählen. Ein hervorragendes Ergebnis ist daher garantiert.
Wie viele Blätter genau für eine bestimmte Speise verwendet werden müssen, wird in den jeweiligen Rezepten beschrieben. Für die richtige Dosierung gibt es aber auch eine grobe Faustregel, die für Bäcker und Konditoren hilfreich sein kann: Sechs Blatt Gelatine reichen, um 500 ml Flüssigkeit zu gelieren. Damit wird die jeweilige Masse schnittfest. Je nachdem, ob die Gelatine für eine weiche Sahnefüllung oder ein festeres Gel genutzt werden soll, muss die Blattanzahl entsprechend angepasst werden. Mehr gibt es nicht zu beachten.
Dennoch herrscht – auch in der Backbranche – teilweise die Auffassung, dass die Verwendung von Blattgelatine einige Herausforderungen mit sich bringt. Dem ist jedoch nicht so. Tatsächlich ist die Handhabung von Blattgelatine kinderleicht, wenn man sich an die einzelnen Verarbeitungsschritte hält: Im ersten Schritt müssen die einzelnen Gelatineblätter eingeweicht werden. Dazu einfach eine Schüssel mit kaltem Wasser füllen, die Blätter nacheinander hineingeben und anschließend etwa fünf bis sieben Minuten lang aufquellen lassen. Im Anschluss müssen die Blätter nur noch leicht ausgedrückt werden, bevor man mit der weiteren Verarbeitung fortfahren kann.
Im nächsten Schritt wird die Gelatine in einem Topf erhitzt und unter stetigem Rühren aufgelöst. Gequollene Blattgelatine löst sich bei ca. 50-60 °C auf. Ein Aufkochen ist nicht notwendig und bei längerem Kochen besteht sogar die Gefahr, dass die Gelatine ihre Gelierkraft verliert. Möchte man ganz sichergehen, kann die Gelatine auch – ähnlich wie Schokolade – in einem Wasserbad aufgelöst werden. Im Folgenden ist ein Aspekt besonders wichtig: Soll die Gelatine nun in einer kalten oder einer warmen Masse verarbeitet werden? Je nachdem gibt es Unterschiede bei der Weiterverarbeitung. So werden Tortencremes in der Regel kalt zubereitet. Hierzu wird die kalte Masse, wie beispielsweise geschlagene Sahne, nach und nach zur warmen Gelatinelösung dazugegeben. Niemals umgekehrt, da sich sonst Klümpchen bilden können. So wird die Temperatur langsam angeglichen.
Im Falle von warmen Massen gestaltet sich die Verwendung von Gelatine noch etwas einfacher. Hier kann die Gelatine direkt – und ohne Angleichen – unter die heiße, aber nicht mehr kochende, flüssige Masse gehoben werden, bis die Gelatine vollständig aufgelöst ist.
Fest wird die Masse in beiden Fällen erst nachdem sie abgekühlt ist. Wie lange das dauert, variiert je nach Anwendung. Um eine optimale Textur zu erzielen, sollte eine Sahnetorte mehrere Stunden oder idealerweise über Nacht im Kühlschrank gelagert werden.
Blattgelatine für Großküchen
Dank der einfachen und unkomplizierten Handhabung empfehlen die meisten Rezepte heute Blattgelatine. Denn damit wird die gewünschte Festigkeit der Speise ganz einfach durch die entsprechende Anzahl der verwendeten Blätter bestimmt. Um Großküchen und Konditoreien das Handling mit größeren Mengen Blattgelatine zu erleichtern, gibt es neben der kleinen Haushaltspackung auch eine 1 kg Großverbraucherpackung.
Kuchen für gesundheitsbewusste Backfans
Viele Verbraucher achten heute auf ihre Gesundheit, was sich auch auf ihre Ernährung auswirkt. Sie möchten genau wissen, was sie zu sich nehmen und verlangen dabei nach möglichst natürlichen Zutaten. „Clean Label“ ist ein Trend, der momentan in der Lebensmittelbranche in aller Munde ist. Auch für Bäcker und Konditoren spielt dies zunehmend eine Rolle, denn auch Feinbackwaren ohne Zutaten wie künstliche Farbstoffe, Aromen oder Konservierungsmittel werden immer beliebter. Gelatine ist kein Zusatzstoff und muss demnach auch nicht als solcher, beispielsweise mit einer E-Nummer, deklariert werden – ihr Einsatz bei der Herstellung von Lebensmitteln ist daher praktisch uneingeschränkt möglich. Zudem ist Gelatine allergenfrei, geschmacks- und geruchsneutral und hat damit keine Auswirkungen auf Geschmack und Geruch des fertigen Produktes.
Für Kosher- und Halal-Anforderungen stehen zudem Varianten aus 100 Prozent Rind zur Verfügung. Und für besonders Gesundheitsbewusste ist eine spezielle Blattgelatine-Variante erhältlich, die zusätzlich mit Kollagen angereichert ist. Gerade modernen Lifestyle-Backwaren können Konditoren damit das gewisse Etwas verleihen.
Eine vegane Alternative zur Blattgelatine
Die Anforderungen, die an Lebensmittel gestellt werden, sind heute so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Denn was heute neben gutem Geschmack besonders wichtig ist: Das Nahrungsmittel soll bestmöglich zum jeweiligen Lebensstil passen. Ob Veganer, Vegetarier oder Flexitarier – immer mehr Menschen verzichten entweder ganz auf Fleisch oder andere Produkte tierischen Ursprungs, oder sie oder sie versuchen zumindest ihren Konsum dahingehend zu reduzieren.
Eine echte Innovation am Markt ist das gerade erst erschienene erste vegane Geliermittel in Blattform. Die Blätter bestehen hier aus Agar-Agar – einem pflanzlichen Hydrokolloid, das aus Rotalgen gewonnen wird. In Pulverform ist Agar-Agar als Geliermittel schon seit Langem bekannt. Das neue Agar-Agar-Blatt bietet sowohl Profis als auch Hobby-Konditoren nun die Möglichkeit, vegane Varianten ihrer Kreationen anzubieten, ohne auf die Vorteile der einfachen Handhabung von Blattgelatine verzichten zu müssen.
Bei der Verarbeitung des Agar-Agar-Blattes gibt es jedoch einige Unterschiede im Vergleich zu Blattgelatine zu beachten. Der Schmelzpunkt von Agar-Agar ist deutlich höher als der von Gelatine. Das Agar-Agar-Blatt wird daher bei höheren Temperaturen gelöst. Hierzu muss es für etwa zwei Minuten in Flüssigkeit kochen, um sich vollständig aufzulösen. Demgegenüber sind aber auch die Tortenkreationen, die mit Agar hergestellt werden, bei höheren Umgebungstemperaturen stabiler.
Ein weiterer Unterschied zur Gelatine ist die benötigte Menge: Zum Gelieren von 500 ml Flüssigkeit reicht ein Agar-Agar-Blatt. Der Grund: Die Gelierkraft der veganen Alternative ist deutlich höher als die der Blattgelatine. Verglichen mit Gelatine verleiht Agar-Agar Speisen eine typische Struktur mit einem kürzeren Biss. Genau wie bei der Blattgelatine sind auch die Agar-Blätter auf ihre Gelierkraft standardisiert.
Die typischen funktionellen Eigenschaften von Agar-Agar erfordern eine schnelle Verarbeitung aufgrund ihres schnellen Anziehverhaltens. Im Unterschied zur Gelatine kann sich bereits bei Raumtemperatur ein Gel ausbilden, ein Kaltstellen im Kühlschrank ist damit nicht zwingend notwendig.
Für den Einsatz in Lebensmitteln ist Agar-Agar als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen und muss entsprechend gekennzeichnet werden, beispielsweise als „Verdickungsmittel Agar-Agar“. Bei der Herstellung von Backwaren, feinen Backwaren und Dessertspeisen ist Agar-Agar derzeit grundsätzlich nach dem qs-Prinzip („quantum satis“; zu Deutsch: „so viel wie nötig“) erlaubt.
Nachhaltig und umweltbewusst
Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind zwei weitere elementare Themen unserer Zeit. Denn für Konsumenten wird es immer wichtiger nachvollziehen zu können, welchen Einfluss die Herstellung von Produkten auf die Umwelt hat. Gelatine wird aus tierischen Rohmaterialien hergestellt, deren Qualität stark von einer gesunden und intakten Umwelt abhängt.
Gelatine entsteht aus Nebenprodukten der Fleischindustrie. Durch die Weiterverarbeitung und Veredelung dieser Nebenprodukte trägt die Gelatineindustrie entscheidend dazu bei, die fleischverarbeitende Industrie insgesamt nachhaltiger zu gestalten. Denn auch die Nebenprodukte, die wiederum bei der Gelatineproduktion entstehen, werden weiterverarbeitet: Hochwertige Proteine werten Tiernahrung auf, reine Fette kommen unter anderem in Biodiesel zum Einsatz und Mineralien werden beispielsweise in Düngemitteln verarbeitet.
Zusammenfassung
Blattgelatine ist ein Lebensmittel, das zwar schon lange im Backhandwerk verwendet wird, dessen Einsatzmöglichkeiten jedoch in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten sind. Dabei ist sie – dank ihrer zahlreichen funktionellen Eigenschaften – eine geeignete Zutat, um vielen Back- und Tortenkreationen „das gewisse Etwas“ zu verleihen.
Da die einzelnen Blätter eine identische Gelierstärke haben, ist die Anwendung denkbar einfach: Blätter abzählen, auflösen und einrühren. Aufwendiges Abwiegen oder Umrechnen gehört damit der Vergangenheit an. Und auch vegetarische oder vegane Backwarenkreationen gelingen dank innovativer Produkte wie dem Agar-Agar-Blatt problemlos.
Als nachhaltig hergestelltes Lebensmittel ohne E-Nummer erfüllt Blattgelatine die Anforderungen unserer Zeit – sowohl für gesundheitsbewusste Verbraucher als auch für Bäckereien, Großküchen oder Cateringbetriebe.
Quellen:
Schrieber, R., & Gareis, H. (2007). Gelatine handbook: theory and industrial practice. John Wiley & Sons.
https://www.gelita.com/de/funktionelle-eigenschaften#tailored-textures
https://www.gelita.com/de/spezialanwendungen
https://www.gelatine.org/de/socialresponsibility.html