Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht mit allen seinen Facetten wie Produktentwicklung, Kennzeichnung und Health Claims, Risk Assessment und Krisenmanagement.
Köstlich oder einfach nur eklig?
Merkwürdige Speisen aus exotischen Ländern faszinieren uns auf unterschiedliche Weise. Nicht vertraute Lebensmittel können lecker sein oder einen eher eigenwilligen Geschmack haben. Während kulturelle Unterschiede uns oft trennen und Grenzen ziehen, kann Essen uns verbinden.
Das DISGUSTING FOOD MUSEUM in Berlin bringt Essen und Kultur zusammen, indem es in seinen Ausstellungsräumen „ekelhafte“ Lebensmittel und Gerichte der Welt präsentiert und so dazu ermuntern will, die vielfältige Welt des Essens zu erkunden und eigene Geschmacksvorstellungen zu überprüfen.
Der Ekel hat viele Gesichter. Als ekelhaft bewerten wir Dinge, die aufgrund ihrer Gestaltmerkmale, ihres Geschmacks oder ihrer Produktionsweise Unwohlsein bis zum Erbrechen bei uns auslösen. Ekel ist dabei ein erster Eindruck, bisweilen ein schnelles wie notwendiges Vorurteil, das uns vor einer vermeintlichen Gefahr bewahrt. Je länger wir uns jedoch solchen Dingen aussetzen, beginnen wir gegebenenfalls zu verstehen, warum sie so sein müssen, wie sie eben sind, und welchen Reiz dies vermeintlich Ekelig-Exotische haben kann.
Dies aufgreifend wendet sich das Museum an Freundinnen und Freunde des schlechten Geschmacks sowie an jene, die ihren guten Geschmack hinterfragen wollen, ob dem ersten Eindruck doch ein freudiges Probieren folgt.
Ekelhaftes könnte übrigens ein Verbot des Lebensmittels nach sich ziehen. Dafür gibt es im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sogar einen eigenen „Ekel“-Paragrafen (der wohl EU-rechtswidrig ist; aber dazu an anderer Stelle: Finster, Wenn die Mäuse auf den Tischen tanzen, DLR 2023, 309). Leitbild ist hierbei ein durchschnittlich empfindsamer, eben nicht übermäßig empfindlicher, aber auch nicht ganz unempfindlicher oder nachlässiger Verbraucher, wobei auch auf die Erwartung eines spezifischen Verkehrskreises der „Feinschmecker“ abgestellt werden kann.
So hinsichtlich des französischen „Crottin de Chavignol“, trotz seines „seifigen“ Geschmacks und der unansehnlichen Beschaffenheit des Käses, von einem Untersuchungsamt einmal beschrieben als „runder, abgeflachter Käse, mit olivgrüner, angetrockneter Schmiere bedeckt, auf der sich verbreitet weißer und grüner Schimmel befindet. Die innere Randregion ist bis zu ca. 5 mm tief ausgetrocknet und graubraun verfärbt. Das Innere ist hart, zäh und weißgrau.“ Mögen solche Spezialitäten für einen Teil der Verkehrskreise ekelerregend sein, sind sie dies für einen anderen Teil, etwa der Käseliebhaber, eben nicht (siehe LG Freiburg, Urteil vom 10.04.1993 – 44 Ns 62/83).
Auch nur etwas für Feinschmecker ist der „Surströmming“, eine schwedische Fischspezialität aus Hering, die vor allem für eines bekannt ist: ihren penetranten, fauligen Gestank. Der Hering wird durch Milchsäuregärung konserviert. Beim Gärungsprozess entsteht jedoch ein großer Druck in der Surströmming-Dose, weshalb sich der Deckel nach außen wölben kann; das hatte zur Folge, dass die Fluglinien British Airways und Air France Passagieren verbieten, Surströmming in ihren Flugzeugen zu transportieren, aus Sorge, die Dosen könnten während des Fluges explodieren.
Vielleicht ist es gerade der Ekelfaktor, der ausbremst, dass Insekten sich nachhaltiger in Backwaren finden. Damit meine ich nicht die Maden im Brot. Die Durchführungsverordnung (EU) 2023/58 der Kommission vom 5. Januar 2023 ließe die Verwendung von Larven des Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer) in bestimmten Backwaren zu (Amtsblatt L 5/10, 6.1.2023), konkret unter anderem in Brot, Brötchen und Vormischungen (trocken) für Backwaren. Die Kennzeichnung der Lebensmittel muss mit dem Hinweis versehen sein, dass diese Zutat bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann.
Na dann, guten Appetit.
Museumstipp
disgustingfoodmuseum.berlin
Schützenstraße 70, 10117 Berlin