PFAS in Weizenmehlen?

Diese Ewigkeitschemikalien können auch in Lebensmitteln vorkommen

Foto: © Moshe Harosh on Pixabay

Dipl. Ing. Maximilian Moser, Vorstand biotask AG, Esslingen, Dienstleistungsunternehmen für die Getreidekette – Untersuchung und Beratung

Peter Köhler, Wissenschaftlicher Getreidechemiker an der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in Freising von 1988 bis 2017. Seitdem Technischer Leiter bei biotask AG, Esslingen

Prof. Dr. Bärbel Kniel, Vorstand biotask AG, Esslingen, Dienstleistungsunternehmen für die Getreidekette – Untersuchung und Beratung, Redaktionsmitglied von BACKWAREN AKTUELL

Das Vorkommen von per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) in der Umwelt und in Lebensmitteln ist aktuell von großem Interesse. Während bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs viele Daten vorliegen und bereits gesetzliche Höchstgehalte erlassen wurden, gibt es bei Getreide und Getreideerzeugnissen so gut wie keine Erkenntnisse. Deshalb wurde auf Anregung durch die Mühlenwirtschaft das Auftreten von PFAS in Weizenmehlen untersucht. Das Ergebnis dürfte zur Beruhigung beitragen.

PFAS sind allgegenwärtig

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) haben als Industriechemikalien eine breite Anwendung. Sie finden wegen ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Eigenschaften vielfältige Verwendung in der Textilindustrie (Outdoor-Kleidung, Teppiche), in der Papierindustrie (schmutz-, fett- und wasserabweisende Papiere), bei Herstellung antihaftbeschichteter Pfannen und in Kosmetika. Weitere Einsatzgebiete sind unter anderem Luftfahrt, Fotoindustrie, galvanische Industrie und Photovoltaik. Diese Stoffgruppe umfasst mindestens 10.000 verschiedene Verbindungen. Da sie oder ihre Abbauprodukte in der Umwelt sehr persistent sind, werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt. Aufgrund dieser Eigenschaften sind sie mittlerweile weltweit verbreitet, nicht nur in der Umwelt, sondern auch in der Nahrungskette und im Blut vieler Menschen.

PFAS und Gesundheit

Gewisse PFAS sind für Menschen und Tiere gesundheitlich bedenklich. Sie reichern sich im Blut und im Organgewebe an und werden nur sehr langsam ausgeschieden. PFAS stehen unter anderem im Verdacht Krebs auszulösen, neurologische Entwicklungsstörungen zu verursachen und die Immunabwehr zu schwächen. Letzteres betrifft vor allem die unerwünschte Abnahme von Impfantikörpern im Blutserum [1,2]. Auf europäischer Ebene haben Aktivitäten für eine weitgefasste Beschränkung der gesamten Gruppe der PFAS begonnen. Alle Verwendungen dieser Stoffe, die nicht als „gesamtgesellschaftlich unabdingbar“ gelten, sollen künftig verboten werden [1].

PFAS in Lebensmitteln

Zu den Eintragswegen von PFAS in den menschlichen Körper gehört auch der Verzehr von Lebensmitteln. Die EFSA (European Food Safety Authority) kam 2020 zu dem Schluss, dass ein Teil der europäischen Bevölkerung den TWI (tolerable weekly intake) von
4,4 ng/kg Körpergewicht für die Summe von vier PFAS überschreitet, was Anlass zu Besorgnis gibt [3]. Insbesondere der Verzehr von Fisch und Fischerzeugnissen sowie Fleisch und Fleischerzeugnissen trägt zur PFAS-Aufnahme bei, in geringerem Umfang auch Eier sowie Milchprodukte [1]. Für diese Lebensmittel sind in der europäischen Kontaminanten-Verordnung VO (EU) 2023/915 bereits Höchstgehalte für die folgenden vier – zungenbrechenden – PFAS festgelegt worden: Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS), Perfluor­octansäure (PFOA), Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluornonansäure (PFNA). Etwa 90 % der im menschlichen Blut nachweisbaren PFAS-Gehalte werden durch diese vier PFAS repräsentiert [3]. Zudem sind in der deutschen Trinkwasserverordnung Grenzwerte für diverse PFAS vorgesehen.

Da bei anderen Lebensmitteln bislang nur in wenigen Fällen PFAS-Gehalte festgestellt werden konnten, verzichtete der Gesetzgeber hier vorerst auf die Festlegung von Höchstgehalten. Stattdessen wurden mit der Empfehlung (EU) 2022/1431 lediglich Maßnahmen zur Überwachung von PFAS insbesondere in Obst, Gemüse, stärke­haltigen Wurzeln und Knollen, Wildpilzen, Getreide, Nüssen und Ölsaaten festgelegt.

PFAS in Getreide?

Die Kenntnisse über das Vorkommen von PFAS in Getreide und Getreideerzeugnissen sind bislang unzureichend [1]. Mögliche Eintragswege sind kontaminierte Böden und Grund-/Regenwasser beim Getreideanbau sowie die Ausbringung von Klärschlamm. In Getreideerzeugnissen wie Mehle kommen weitere potenzielle Eintragswege wie das Netzwasser oder technische Anlagen in der Mühle infrage. Zur Verbesserung der Datenlage wurde daher das Vorkommen von PFAS in Weizenmehlen untersucht.

Untersuchung von Weizenmehlen

Zur Untersuchung kamen 27 Weizenmehle der am häufigsten verwendeten Type 550 und 8 Weizenvollkornmehle. Es wurden Mehle ausgesucht, die in Mühlen an Standorten höherer PFAS-Belastung in Böden oder Grundwasser anhand der PFAS-Karte des Fraunhofer-
Institutes hergestellt wurden. Auch wenn das zu vermahlende Getreide nicht zwangsläufig im näheren Umfeld der Mühle angebaut wurde, konnten mit diesem Ansatz zumindest mögliche Eintragswege über das Netzwasser oder die Mühlenanlagen ermittelt werden.

Untersucht wurden die Mehle auf die vier wichtigsten PFAS: PFHxS, PFOA, PFOS und PFNA. Die Bestimmungen erfolgten mittels Flüssigkeitschromatographie-Tandem Massenspektrometrie (LC-MS/MS). Als Bestimmungsgrenze wurde die aktuell niedrigste von 0,001 µg/kg pro PFAS-Einzelverbindung angesetzt.

Erfreuliche Ergebnisse

Weder in den untersuchten Weizenmehlen der Type 550 noch in den Weizenvollkornmehlen waren PFAS zu finden. Mögliche Kontaminationen beim Getreideanbau oder in den Mühlen waren daher nicht erkennbar. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Kontamination von Weizenmehlen mit PFAS als relativ unwahrscheinlich anzusehen ist.

Zusammenfassung

Das Vorkommen von PFAS in der Umwelt und in Lebensmitteln ist aktuell von großem Interesse. Während bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs viele Daten vorliegen und bereits gesetzliche Höchstgehalte erlassen wurden, gibt es bei Getreide und Getreideerzeugnissen so gut wie keine Erkenntnisse.

Auf Anregung durch die Mühlenwirtschaft wurde deshalb das Vorkommen von vier PFAS in Weizenmahlerzeugnissen untersucht. Dafür wurden Weizenmehle der Type 550 und Weizenvollkornmehle ausgesucht, die in Mühlen an Standorten höherer PFAS-Belastung in Böden oder Grundwasser hergestellt worden sind. PFAS konnten in keiner Probe gefunden werden.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Kontamination von Weizenmehlen mit PFAS als relativ unwahrscheinlich anzusehen ist.

Danksagung: Die Autoren bedanken sich bei den Teilnehmern des Europäischen Getreidemonitorings für die Finanzierung der Untersuchungen und bei dem Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS e.V. für die Anregung zu diesem Projekt und für die unterstützende Begleitung.

 

Quellen

[1] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): PFAS in Lebensmitteln: BfR bestätigt kritische Exposition gegenüber Industriechemikalien. Stellungnahme Nr. 020/2021 vom 28. Juni 2021.
[2] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Gekommen, um zu bleiben: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) in Lebensmitteln und Umwelt. FAQ des BfR vom 16. Juni 2023.
[3] EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM): Risk to human health related to the presence of perfluoroalkyl substances in food. EFSA Journal 2020; 18 (9): 6223.
[4] Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie; Fraunhofer Magazin 4/2023 https://www.fraunhofer.de/de/forschung/aktuelles-aus-der-forschung/pfas.html

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