Hier schreiben meyer.rechtsanwälte darüber, was in der Welt des Lebensmittelrechts vor sich geht. Was gibt es Neues? Was gilt es zu beachten? Und welche Kuriositäten gibt es zu berichten?
Prof. Dr. Alfred Hagen Meyer, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Lebensmittelrecht mit allen seinen Facetten wie Produktentwicklung, Kennzeichnung und Health Claims, Risk Assessment und Krisenmanagement.
ALS – Update
Nachfolgend erörtert ist die Relevanz der Stellungnahmen des ALS für Unternehmen betreffend Backmittel und Backgrundstoffe zur Herstellung von Brot und Feinen Backwaren.
Der ALS ist der Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Der ALS setzt sich aus Vertretern der Untersuchungseinrichtungen der Bundesländer und der Bundeswehr zusammen. Aufgabe des ALS ist es, die Untersuchung und Beurteilung von unter anderem Lebensmitteln innerhalb der Überwachungsbehörden der 16 Bundesländer abzustimmen.
Stellungnahmen des ALS bezüglich der Backbranche gab es schon zuhauf; erinnert sei an …
- Verwendungshinweise bei Aluminiumbackblechen (2008, 48)
- Backtrennmittel in Sprayform: Verarbeitungshilfsstoff − keine Kennzeichnungspflicht (2011, 48)
- Rechtliche Einordnung eines in Form eines Sprays in den Verkehr gebrachten Backtrennmittels (2013/15)
- Anforderungen an die Zusammensetzung von Biskuitbackware gemäß den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches für Feine Backwaren (2016, 31)
- Besprühen von Backwaren mit Ethanol (2016, 32)
Aktuell von Interesse sind folgende (verkürzt wiedergegeben):
Kennzeichnung der Zutat „Eiweißpulver“ (2023/11)
Unter „Eiweißpulver“ können sowohl Eiweiß (Eiklarpulver) als auch Eiweißerzeugnisse aus anderen Quellen (zum Beispiel aus Soja, Weizen oder Milch) verstanden werden. Der ALS sieht die alleinige Bezeichnung „Eiweißpulver“ als nicht ausreichend an, um die verwendete Zutat genau zu charakterisieren. Zutaten wären mit ihrer speziellen Bezeichnung zu benennen.
Kochsalzersatz – natriumreduzierte Mineralsalzmischungen (2023/14)
Spannend sind die Ausführungen des ALS zu Kochsalzersatz. Für Kochsalzersatz gibt es keine speziellen Regelungen hinsichtlich Zusammensetzung und Kennzeichnung. Unter „Kochsalzersatz“ wird eine natriumreduzierte Mineralsalzmischung verstanden. Bei derartigen Erzeugnissen kann auf eine Natriumreduktion beziehungsweise gleichwertige Salzreduktion hingewiesen werden, wenn die Reduzierung mindestens 25 % gegenüber einem vergleichbaren Produkt ausmacht (Anhang HCVO 1924/2006).
Mögliche Bezeichnungen sind zum Beispiel „Kochsalzersatz aus Natriumchlorid und Kaliumchlorid“, „natriumreduzierte Mineralsalzmischung mit Natriumchlorid und Kaliumchlorid“, „natriumreduzierte Mineralsalzmischung aus Steinsalz und Kaliumchlorid“. Gegebenenfalls ist ein Warnhinweis wie „bei Störungen des Kaliumhaushalts, insbesondere bei Niereninsuffizienz, nur nach ärztlicher Beratung verwenden“ anzubringen.
Die das Kochsalz ersetzenden Zutaten werden im Zutatenverzeichnis mit ihrer spezifischen Bezeichnung unter Nennung der jeweiligen Mineralstoffverbindung(en) und gegebenenfalls enthaltener Zusatzstoffe angegeben, zm Beispiel „Kochsalzersatz Kaliumchlorid“, „Kochsalzersatz (Kaliumchlorid, Geschmacksverstärker: Calciumdiglutamat)“. Die ersetzenden Mineralstoffverbindungen sind dabei mit ihrer zugehörigen Bezeichnung anzugeben. Angaben wie zum Beispiel „Kaliumsalz“, „Mineralsalze (Kalium, Calcium, Magnesium)“ sind keine zulässigen Bezeichnungen.
Bezeichnung von zugesetzten Mineralstoffen im Verzeichnis der Zutaten (2023/25)
Eigentlich Selbstverständliches beschreibt der Beschluss zur Bezeichnung von Mineralstoffen; dies im Kontext des EuGH-Urteils vom 24. März 2022 (Rechtssache C-533/20). Dort führte der EuGH aus, Vitamine müssten nicht mit der jeweiligen Vitaminverbindung bezeichnet werden; also nur „Vitamin E“ anstelle von D-alpha-Tocopherylsäuresuccinat. Dies regelte so auch schon die erst vor Kurzem aufgehobene deutsche Zusatzstoff-VerkehrsVO 1984.
Zutreffend weist der ALS daraufhin, dass das Urteil des EuGH nicht übertragbar wäre auf die Bezeichnung von zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzten Mineralstoffen im Verzeichnis der Zutaten.
Die zur Anreicherung von Lebensmitteln zugelassenen Mineralstoffe sind im Anhang II der VO (EG) Nr. 1925/2006 gelistet. Die dort aufgeführten Verbindungen, wie Magnesiumcarbonat, sind spezielle Bezeichnungen, die gemäß Art. 18 Abs. 2 der LMIV 1169/2011 im Zutatenverzeichnis aufzuführen sind. Die alleinige Nennung der angereicherten Nährstoffe, zum Beispiel in der Form „Magnesium“ oder „Kalium“, sei dagegen keine verkehrsübliche Bezeichnung, die die eingesetzte Zutat ausreichend charakterisiere.
Anders als bei den Bezeichnungen der Vitamine stellt die Angabe eines Elementnamens nicht den Oberbegriff einer Gruppe von Verbindungen dar, sondern ist die chemische Bezeichnung eines Elementes, das gegenüber dem entsprechenden Kation oder Anion einer Mineralstoffverbindung abweichende ernährungsphysiologische Eigenschaften besitzt. Die Verknüpfung mit dem Gegenion stellt für Verbraucher eine zusätzliche Information dar, die in besonders bekannten oder beworbenen Kontexten die Verbraucherentscheidung maßgeblich beeinflusse und somit i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der LMIV dem Verbraucher eine Grundlage für eine fundierte Wahl böte.